Bestäuber sind die Verlierer von Städtewachstum und Klimawandel

Versiegelte Flächen, hohe Temperaturen, Licht- und Luftverschmutzung, geringere Pflanzenvielfalt: Bestäuber leiden massiv unter den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Bislang untersuchten Experten diese Auswirkungen auf Insekten eher regional. Neue globale Untersuchungen zeigen jetzt: Es ist höchste Zeit zu handeln.

Schmetterlinge haben ganz besonders mit dem Wachstum von Städten zu kämpfen: Durch schrumpfende Lebensräume und verringerte Nahrungsangebote nimmt ihre Population ab. Gleiches gilt für viele Wildbienenarten: Foto: Pexels

Urbanisierung gefährdet Bestäuber: Schmetterlinge besonders betroffen

Der zunehmende Ausbau von Städten hat verheerende Auswirkungen auf Schmetterlinge und Wildbienen. Eine neue umfassende Studie verdeutlicht die dringende Notwendigkeit von Naturschutzmaßnahmen in urbanen Gebieten. Auf der ganzen Welt widmen sich viele Forscher dem Zusammenhang von Verstädterung, Bestäubern und der Bestäubungsleistung – sowie den negativen Folgen. Diese Untersuchungen sind jedoch sehr aufwendig und beschränken sich daher meist auf einzelne Regionen. Um die Problematik global zu betrachten, hat ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften 133 diesbezügliche Studien ausgewertet. Mit dem eindeutigen Ergebnis: Wildbienen und Schmetterlinge haben enorm mit dem schrumpfenden Lebensraum zu kämpfen, da ihr Nahrungsangebot schwindet und ihre Populationen damit zurückgehen.

Naturschutz in urbanen Gebieten entscheidend für den Erhalt von Bestäubern

Die Studienergebnisse zeichnen ein eindeutiges Bild: Mit zunehmender Urbanisierung nimmt die Häufigkeit und Vielfalt vieler Bestäuber ab. Allerdings sind bestimmte Gruppen stärker betroffen: „Schmetterlinge sind äußerst empfindlich gegenüber Veränderungen in ihrer Umgebung. Sie sind auf spezifische Pflanzen für Nahrung und Larvenentwicklung angewiesen. Da diese in städtischen Gebieten immer seltener vorkommen, geht auch die Population vieler Schmetterlingsarten zurück“, so die Wissenschaftler. Doch auch Bestäuber, die schon im Frühjahr aktiv sind und auf Nektar und Pollen der Frühblüher angewiesen sind, leiden enorm. Vor allem Wildbienen, die in im Boden nisten, da sie in der Stadt weniger geeigneten Brutstätten finden. Wildbienenarten, die hingegen in Löchern oder Insektenhotels nisten, sind weniger stark betroffen. Bisher hat das aber noch keine direkten Auswirkungen auf die Bestäubung von Pflanzen, da beispielsweise Honigbienen die negativen Effekte ausgleichen können. „Honigbienen sind sehr produktiv und werden vielerorts von Hobby-Imkern gehalten“, sagt einer der Forscher. In der Studie heißt es aber, dass Honigbienen in der Stadt zwar positive Auswirkungen auf die Bestäubung der dortigen Pflanzen hätten, jedoch sie einheimische Bestäuber verdrängen oder Krankheiten auf sie übertragen.

Wildbienen schlüpfen bei jedem Temperaturanstieg früher

Auch in England haben Forscher 88 verschiedene Wildbienenarten über einen Zeitraum von 40 Jahren untersucht. Sie analysierten über 350.000 Einzelaufzeichnungen, die Verschiebungen bei den Schlupfzeiten sowohl im Zeitverlauf als auch in Abhängigkeit von der Temperatur zeigten. Die alarmierende Erkenntnis: Wärmere Frühlingsmonate haben zur Folge, dass Bienen in Großbritannien früher schlüpfen, was eine Gefahr für die Bestäubung von Nutzpflanzen wie Äpfeln und Birnen darstellt. Die umfangreiche Studie kam zu dem Schluss, dass Wildbienen, wie etwa Hummeln, bei jedem durch den Klimawandel verursachten Temperaturanstieg um 1 Grad Celsius im Durchschnitt 6,5 Tage früher aus ihren Nestern schlüpfen. Dadurch verlieren sie den überlebenswichtigen Kontakt zu den Pflanzen, die sie ernähren. Und damit beginnt ein Teufelskreis, da die Wildbienen weniger Energie haben und Pflanzen womöglich nicht mehr effektiv genug bestäuben können oder die Blüte ganz verpassen.

Verschiebung des Bienenschlüpfens beeinflusst Bestäubung von Pflanzen

Glaubt man den Prognosen des Met Office (das ist der nationale meteorologische Dienst Großbritanniens), so werden die Winter bis zum Jahr 2070 zwischen 1 und 4,5 Grad Celsius wärmer und bis zu 30 Prozent feuchter. Damit ist auch künftig mit einem früheren Beginn des Frühlings zu rechnen, wodurch Bienen weiterhin früher im Jahr aktiv werden könnten. Die Veränderung im Timing des Bienenaufkommens wird sich besonders auf Pflanzen auswirken, die stark von Bestäubung abhängig sind. Ein Beispiel hierfür sind Apfelbäume, die zum Ende des Winterschlafs noch nicht blühfähig sind und daher möglicherweise nicht ausreichend Bestäuber vorfinden.