Aktionsprogramm Insektenschutz verabschiedet

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Das am Mittwoch verabschiedete "Aktionsprogramm Insektenschutz" soll helfen, die Artenvielfalt zu erhalten. Foto: S. Mösch / naturimdetail.de

Wie die Bundesregierung am Mittwoch bekannt gab, wurde das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ verabschiedet, um das Insektensterben zu stoppen und die Artenvielfalt zu schützen. Das Aktionsprogramm löste unmittelbar Kontroversen aus und sah sich teils harscher Kritik ausgesetzt.

Mit dem „Aktionsprogramm Insektenschutz“ die Artenvielfalt erhalten

Das durch das Bundeskabinett verabschiedete "Aktionsprogramm Insektenschutz" setzt inhaltlich vor allem auf eine deutlich geringere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat. Bis Ende 2023 soll die Anwendung des Mittels komplett beendet werden, das gelte nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den privaten Gebrauch im Kleingarten. Der Bund stellt zudem mehr Geld für den Insektenschutz zur Verfügung. "Wir haben ein starkes, wirksames Aktionsprogramm beschlossen. Das Insektensterben ist dramatisch", erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Wichtigkeit von Insekten für unser Ökosystem

"Die Biene ist systemrelevant", bestätigte auch Julia Klöckner, Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung. Insekten seien ein wichtiger Bestandteil der biologischen Vielfalt und spielen in unseren Ökosystemen eine starke Rolle. Sie sind die artenreichste Gruppe aller Lebewesen und stellen gut 70 Prozent der Tierarten weltweit. Sowohl die Gesamtmenge als auch die Artenvielfalt der Insekten ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, was unterschiedliche Gründe hat. Dieses Insektensterben aufzuhalten, dem hat sich die Bundesregierung laut Pressemitteilung verschrieben und möchte es mit dem Aktionsprogramm aufhalten.

Zentrale Maßnahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz

Der Landwirtschaft werde mit der Verabschiedung des Aktionsprogramms einiges abverlangt, aber es gebe finanzielle Unterstützung. 100 Millionen Euro zusätzlich stellt die Bundesregierung für die Förderung des Insektenschutzes bereit, vor allem soll das Budget in die Agrarwirtschaft und den Ausbau der Insektenforschung fließen. Im Koalitionsvertrag wurde zudem vereinbart, dass die Regierungspartner gemeinsam mit der Landwirtschaft Alternativen im Rahmen einer Ackerbaustrategie entwickeln und naturverträgliche Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen.

Mehr Raum, besseres Licht und mehr Engagement für Insekten

Weiterhin regelt das Aktionsprogramm, dass Insekten mehr Raum gegeben werden soll. Lebensräume in allen Landschaftsbereichen und in den Städten wie Randbiotope zwischen Wald und Wiese und Randstreifen von Wegen oder Hecken sollen geschützt und wiederhergestellt werden. Es sollen durch die Eindämmung des sogenannten Staubsaugereffekts bessere Lichtquellen für Insekten geschaffen werden. Zudem soll es durch Förderungen und Unterstützungen in allen Gesellschaftsbereichen zu mehr Engagement zum Schutz von Insekten kommen. Ein Insektenschutzgesetzt soll laut Mitteilung noch folgen, in dem verbindliche Vorgaben für Änderungen im Naturschutzrecht, im Pflanzenschutzrecht, im Düngerecht sowie im Wasserrecht gemacht werden.

Aktionsprogramm löst Kontroversen aus

Mit Bekanntgabe des Aktionsprogramms meldeten sich auch gleich Betroffene Verbände und Organisationen kontrovers zu Wort. Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) begrüße zwar die Maßnahme der bundesweiten Kampagne „Insektenfreundliche Privatgärten“, kritisiert aber gleichzeitig große Teile des Aktionsprogramms. „Pflanzenschutzmittel sind nicht die alleinigen Treiber für den Insektenrückgang“, betont ZVG-Präsident Jürgen Mertz. Es brauche laut Mitteilung ein sinnvolles Zusammenspiel unterschiedlicher Maßnahmen, um dem Insektenrückgang zu begegnen. Notwendig sei es zudem, den integrierten Pflanzenschutz weiterzuentwickeln und mit einer Kombination aus biologischen, pflanzenzüchterischen sowie anbau- und kulturtechnischen Maßnahmen den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel möglichst gering zu halten. Eine Benennung von Rückzugsflächen als Ausgleich für biodiversitätsschädigende Herbizide und Insektizide sehe der ZVG als nicht zielführend an. Schon im Zulassungsprozess seien Auswirkungen geprüft worden. Zudem warnt Merz, dass die angestrebten Maßnahmen eine Verlagerung der Produktion von Obst, Gemüse, Zierpflanzen und Gehölzen ins europäische oder nichteuropäische Ausland nach sich ziehen könnten, da dort geringere Anforderungen gelten.

Umweltschutzorganisationen üben Kritik

Der Vorstandsvorsitzende des Bund Ökologische Lebenswirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, heiße es in einer Pressemitteilung zunächst gut, dass das Aktionsprogramm verabschiedet wurde, kritisiert allerdings, dass es nicht flächendeckend sei. „Bisher liegt der Fokus der Maßnahmen zu sehr auf Blüh- und Randstreifen außerhalb der bewirtschafteten Flächen. Es ist folgerichtig, auch hier auf Ökologischen Landbau zu setzen. Denn Öko-Betriebe stärken durch ihre Wirtschaftsweise die Artenvielfalt – und das auf der gesamten Betriebsfläche. Umso wichtiger ist es, dass die konkreten Regelungen Bio-Bauern und -Bäuerinnen in ihrer Wirtschaftsweise unterstützen.“

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) begrüßt das Aktionsprogramm grundsätzlich, fordert aber gleichzeitig, dass es nur zum Erfolg werde, wenn die Bundesregierung jetzt alle Maßnahmen schnell und ohne Ausnahmen umsetzt. „Alle diese Maßnahmen müssen jetzt ohne wenn und aber umgesetzt werden. Die dramatische Situation der Insekten duldet keinen Aufschub“, lässt der NABU auf seiner Internetpräsenz verlauten.

BUND übt harsche Kritik

Etwas weiter geht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und kritisierte das Aktionsprogramm in einer Meldung scharf. Es reiche nicht aus, das Insektensterben mit den vorgelegten Maßnahmen einzudämmen oder gar zu stoppen. Zwar bewerte der BUND das Bekenntnis der Bundesregierung, zu mehr Strukturvielfalt und Insektenlebensräume in der Agrarlandschaft als positiv, es fehle allerdings an der Benennung konkreter Maßnahmen und dem Aufzeigen von zeitlichen und finanziellen Rahmensetzungen. "Konsequenter Artenschutz geht anders", erklärt Olaf Bandt, Geschäftsführer für Politik und Kommunikation beim BUND.

Glyphosat-Ausstieg zu spät

Ein wesentlicher Punkt des Aktionsprogramms Insektenschutz ist der Ausstieg und das Verbot des Ackergifts Glyphosat. Laut BUND verpasst es die Bundesregierung, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und einen sofortigen Ausstieg zu forcieren. Der Ausstieg 2023 kommt erst mit dem Auslaufen der aktuellen EU-Zulassung. "Das ist viel zu spät und ein Rückschlag für den Insektenschutz", kommentiert Bandt. "Und dass einzelne Anwendungen beispielsweise in Haus- und Kleingärten bereits vorher verboten werden, ist ein Teilerfolg, zeigt aber wieder einmal, dass die Agrarindustrie geschont wird."

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