Am 12. April hat die Bundesregierung ihre Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung vorgestellt – beeinflusst das Ihre Anbaupläne?
Spieker: Zum Teil. Der kommerzielle Weg ist jetzt natürlich etwas eingedämmt. Aber wir haben uns selbstverständlich auch auf dieses Szenario vorbereitet. Von einer kompletten Legalisierung sind wir nicht ausgegangen, weil die Infrastruktur dafür noch gar nicht vorhanden ist. Dass es jetzt ein Zwei-Säulen-Modell geworden ist und Anbau sowie Abgabe in sogenannten „Cannabis Social Clubs“ möglich sein sollen, war uns nicht bewusst. Aber wir begrüßen es, dass jeder drei Pflanzen haben darf, denn die müssen ja auch irgendwo produziert werden.
Sie würden Cannabispflanzen auch für den privaten Anbau produzieren?
Spieker: Das ist eine Säule, die wir eingeplant haben. Jetzt müssen wir natürlich abwarten, woher die Pflanzen kommen dürfen. In der Anbau-Allianz wollen wir aber nicht nur selbst produzieren, sondern haben schon viele Gespräche mit zum Teil sehr großen, deutschlandweit agierenden Betrieben aus dem Gemüsebau geführt. Das heißt, wir könnten unter den höchsten Anforderungen produzieren und eine sehr hohe Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung gewährleisten. Die sehe ich im Eigenanbau natürlich nicht. Denn welcher THC-Gehalt bei der Ernte herauskommt, kann nicht von vornherein garantiert werden.
Wie viele Mitglieder hat die Anbau-Allianz aktuell?
Spieker: Weil die Legalisierung noch nicht vonstatten gegangen ist, durften wir noch keine Verträge schließen, sind uns aber mit sechs bis acht Anbauern eigentlich einig. Dazu kommt, dass wir die Hochschule Osnabrück als wissenschaftlichen Partner haben. Auch im Bereich Substrate haben wir eine Partnerschaft mit einem sehr renommierten Unternehmen, das schon Erfahrung im Bereich Cannabis hat, aufgebaut. Wir haben auch einen Partner im Bereich Sicherheitstechnik, der eine 24-Stunden-Überwachung anbietet, sowie ein Unternehmen, das sich auf abbaubare Töpfe spezialisiert hat. Voraussetzung für unsere Partner ist, dass die Energie entweder aus Abwärme gewonnen oder vor Ort aus regenerativen Energiequellen produziert wird, sodass wir auf jeden Fall mindestens klimaneutral, wenn nicht sogar klimapositiv produzieren können. Wir haben das Thema rund gedacht und würden auch gern 100 Prozent der Pflanzen wiederverwenden, weshalb wir mit Cannovum, die für die Verarbeitung und den Vertrieb zuständig sind, Symbiose-Produkte entwickelt haben, die wir aus den Blättern herstellen können.
Nachhaltigkeit ist offenbar auch beim Cannabisanbau ein wichtiger Aspekt?
Spieker: Gerade da, weil es eine sehr energieintensive Pflanze ist. Und natürlich kommt da die berechtigte Frage auf: Warum muss diese Pflanze bei der Energiekrise in Deutschland produziert werden?
Wie hoch ist denn der Energieaufwand für den Cannabisanbau?
Spieker: Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. An dem Standort, an dem wir selbst den Anbau planen, haben wir eine Biogasanlage – da ist der Wärmebedarf beziehungsweise Preis überschaubar. Und wenn wir in den Gewächshäusern produzieren dürfen, brauchen wir die Belichtung nicht in der Intensität, als wenn wir in geschlossenen Räumen produzieren müssen.
Der Anbau würde sich also selbst bei den jetzigen Energiepreisen lohnen?
Spieker: Ja, natürlich, auch wenn es nicht das Riesengeschäft wäre, von dem in den Medien teilweise berichtet wurde. Nach der offiziellen Mitteilung von Cannovum zur Gründung der Anbau-Allianz, in der auch die Mengen preisgegeben wurden, die unser Betrieb produzieren könnte (Anm. d. Red.: knapp elf Tonnen Cannabis pro Jahr), hat sich die Rheinische Post leider dazu hinreißen lassen, das mit dem Verkaufswert zu multiplizieren – was natürlich nicht dem Produktionswert entspricht, der dabei herauskommen würde. Beim jetzigen Stand reden wir von 1,65 Euro bis zwei Euro pro Gramm.
Was waren generell Ihre Beweggründe, neben Hortensien künftig auch Cannabis anbauen zu wollen?
Spieker: Da sind mehrere Faktoren zusammengekommen. Mit dem Landwirt Elimar Moormann besteht ein unternehmerisches und freundschaftliches Verhältnis, wir haben vorher schon mehrere Projekte zusammen gemacht. Er hat eine Biogasanlage in Visbek gekauft, zu der auch eine Gärtnerei gehörte. Weil er selbst nichts mit Gartenbau zu tun hat, haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir die Gewächshäuser füllen können. Dort stehen jetzt Eukalyptus und Hortensien. Gemeinsam haben wir auch die Firma Horcantus gegründet – der Name ist entstanden aus Hortensien, Cannabis und Eukalyptus.
Dann haben wir voriges Jahr den Business Hero Award gewonnen, woraufhin Cannovum auf mich zugekommen ist. Nachdem wir uns ein halbes Jahr beschnuppert haben, wie seriös das Ganze ist, haben wir uns zur Zusammenarbeit entschlossen. Wir haben das Netzwerk in Bezug auf den Anbau, Cannovum hat das Netzwerk in Bezug auf Lizenzierungen und Vertrieb sowie Verarbeitung. Und so haben wir das dann auch aufgeteilt. Mein Anliegen dabei war, dass das Ganze in unserer Branche landet. Wir selbst haben zwar einen wunderbaren Standort, an dem wir mit regenerativen und selbst erzeugten Energien arbeiten, der aber momentan auf 1,2 Hektar Unterglasfläche beschränkt ist. Entsprechend stellte sich für uns die Frage, ob wir es uns zutrauen, so viel zu investieren, dass wir im Markt eine Rolle spielen. Oder ob es sinnvoll wäre, verschiedene landwirtschaftliche und gärtnerische Unternehmen zu vereinen, um damit auch ein Sprachrohr nach außen zu haben. Das war die Grundidee hinter der Anbau-Allianz – so ein bisschen angelehnt an die PlusPlants-Gruppe.
Wo wollen Sie Ihr Cannabis künftig anbauen, und was wird aus der Hortensienproduktion?
Spieker: Die Gärtnerei in Visbek besteht schon, da werden momentan von uns Hortensien und Eukalyptus produziert. Wir modernisieren die Anlage gerade, unabhängig vom geplanten Cannabisanbau. Da ist eine neue Klimasteuerung hereingekommen, neue Energieschirme, ein neues Bewässerungssystem. Der Standort verfügt über rund 12.500 Quadratmeter Glasfläche, außerdem stehen noch drei Hektar Außenfläche zur Verfügung, die für den Cannabisanbau zunächst nicht in Frage kommen, aber als Erweiterungspotenzial da wären. Bevor wir weitere Investitionen tätigen, warten wir aber natürlich noch mal ab, was von der Bundesregierung genau ausgearbeitet wird. Die Hortensienproduktion in Ibbenbüren haben wir voriges Jahr erweitert, die bleibt so wie sie ist. Dort werden wir auch weiterhin Hortensien und Eukalyptus anbauen.
Sollten die Legalisierungspläne der Bundesregierung doch noch komplett gekippt werden – was passiert dann mit den Anlagen?
Spieker: Dann produzieren wir weiter Hortensien und Eukalyptus, wie jetzt auch. Wir haben, wie gesagt, ja schon damit gerechnet, dass zuerst das Modellprojekt kommt und die Legalisierung eventuell erst in fünf Jahren. Das hatte sich in den letzten Monaten bereits abgezeichnet, und wir haben unsere Pläne entsprechend darauf ausgerichtet. Wir haben auch mit mehreren Anbauern gesprochen, und man glaubt gar nicht, welche Unternehmen sich schon perfekt vorbereitet haben und im Prinzip alle Produktionspläne für Cannabis fertig in der Schublade liegen haben, aber eben noch auf die Legalisierung warten. Deshalb wollten wir mit der Anbau-Allianz genau da ansetzen, mit einem Partner, der sich mit der Lizenzierung, mit dem Vertrieb und der Verarbeitung auskennt, während wir den Anbau organisieren.
Inwieweit unterscheidet sich eigentlich der Cannabisanbau von der Zierpflanzen-Produktion – oder anders gefragt: Kann jeder Profigärtner Cannabis anbauen?
Spieker: Ich würde den Cannabisanbau eher mit dem modernen Unterglas-Gemüseanbau vergleichen. Ich traue das natürlich jedem meiner Kollegen zu, aber es geht auch darum, welche THC-Gehalte ich aus der Pflanze bekomme – und dazu ist schon viel Monitoring erforderlich. In der Anbau-Allianz haben wir dann auch Anbauer aus Partnerbetrieben in Portugal und Spanien, die das Ganze begleiten würden.