700 Blumen lösen heftige Diskussion aus
Laut, asphaltiert, grau: Der Leipziger Platz in Kassel-Bettenhausen ist vieles – aber nicht bunt. Das hat auch eine Ortsteil-Initiative so gesehen und den Kasseler Friedhofsgärtner Markus Hegmann damit beauftragt, ein bereits vorhandenes Beet mit rund 700 Blütenpflanzen zu verschönern. Der dreieckige Platz sollte einen floralen Winkel bekommen, quasi eine farbenfrohe Antwort auf die zubetonierte Umgebung. Hegmann ist Meister seines Faches, Inhaber einer mehrfach ausgezeichneten Friedhofsgärtnerei und vor allem eins: motiviert. „Der Stadtteil sollte ,aufblühen‘, deshalb habe ich mich für gelbe Narzissen und dreifarbige Hyazinthen entschieden“, erklärt Hegmann. Und tatsächlich ist die Ödnis des Platzes an der Hauptstraße einer gelben Blütenpracht gewichen. Die Zwiebelgewächse haben für ein regelrechtes Frühlingserwachen gesorgt, auch bei den Bürgern. Der Gärtner erzählt, dass viele Anwohner schon während der Bepflanzung aufblühten und sich sehr über die Aktion freuten. Kurz darauf erlebte die Ortsteil-Initiative jedoch ein böses Erwachen. Die Strahlkraft der gelben Farbe kam nämlich auch im städtischen Umwelt- und Gartenamt an. Und zwar gar nicht gut.
Beschwerden über den vorherigen Zustand des Beetes
Beet-Initiatorin Birgit Matzel ist seit 20 Jahren im Ortsbeirat aktiv. Im Gespräch mit der TV-Sendung hessenschau berichtete sie von der heftigen Reaktion des Amtes: Einer der Abteilungsleiter habe ihr mit einer Anzeige gedroht und wollte wissen, ob sie sich darüber bewusst sei, dass sie auf fremdem Eigentum gepflanzt habe. Zu guter Letzt fragte der Beamte, was sie sich eigentlich einbilden würde. Grund für die Aufregung ist der Umstand, dass das Beet eine städtische Fläche und Ausbildungsprojekt der Stadt Kassel ist. In diesem Zusammenhang sind auf dem Streifen bereits einige Stauden gesetzt worden – deren Schönheit sich derzeit aber noch nicht entfaltet hat. Markus Hegmann schildert: „Aufgrund vermehrter Beschwerden einiger Bürgerinnen und Bürger über den Zustand des Beetes, traten der Ortsbeirat und die Arbeitsgemeinschaft für Bettenhausen an mich heran, mit der Frage und Bitte, eine Frühlingsbepflanzung in Form von Zwiebelblumen an den Beeten vorzunehmen.“ Gefragt, getan. Ob die Aktion problemlos stattfinden kann, wollte der Gärtner vorab wissen. Die Arbeitsgemeinschaft gab grünes Licht und löste damit an anderer Stelle Alarmstufe Rot aus. Denn die Aktion ist zuvor nicht von der Stadt genehmigt worden. Die ist jetzt überzeugt davon, dass die 700 gepflanzten Blumen eine Gefahr für die zuvor gesetzten Stauden darstellen und diese bedrohen würden. Hegmann sieht das anders: „Es wurden weder Wurzeln oder Blattwerk der vorhandenen Bepflanzung beschädigt, noch wurde den Stauden durch unser Betreten Schaden zugefügt.“
Saisonale Bepflanzung nicht mehr zeitgemäß
Das Umwelt- und Gartenamt hatte zuvor klargemacht, dass es jahreszeitliche Bepflanzungen in Kassel nicht mehr geben werde. Grund dafür sei die schlechte CO2-Bilanz: So müsse zum Gießen mindestens einmal täglich jemand hinausfahren. Das sei schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Um die Wogen zu glätten, bot Friedhofsinhaber Hegmann der Stadt an, die verwelkten Blätter nach der Blühphase zu entfernen, sodass sich die Pflanzen in die Erde zurückziehen können. Ein Angebot, dass das Amt nicht ablehnen kann? Von wegen. „Nach der neusten Entwicklung wird das Umwelt- und Gartenamt Kassel auch die Pflege der Zwiebelblumen übernehmen“, berichtet der Gärtner. Und es kam sogar noch heftiger. Grünflächen-Abteilungsleiter Markus Schöttner hat angekündigt, dass die Blumenpflanzung ganz verschwinden muss. Doch: „Bisher ist kein Rückbau erfolgt, nach der neusten Entwicklung wird auch kein Rückbau vorgenommen. Wir hätten das auch mehr als schade gefunden, schließlich war das Ganze für die Bettenhäuser Bürgerinnen und Bürger, und die finden die Aktion mehr als gelungen.“ Seitens der Stadt nimmt man das Beet nun wohl eher zähneknirschend hin. Immerhin geht Umwelt- und Gartenamtsleiterin Anja Starick davon aus, dass die Narzissen und Hyazinthen deutlich mehr Arbeit für sie bedeuten. Markus Hegmann widerspricht auch hier: „Diese Aussage trifft nicht zu, zumal: Wir haben angeboten, die Zwiebelblumenpflanzung zu pflegen.“
„Alles, was natürlich und nachhaltig ist, kann nicht so verkehrt sein“
Der engagierte Gärtner schüttelt zwar den Kopf über all die Aufregung, nimmt es aber gelassen: „Da wir ,nur‘ der ausführende Betrieb und nicht der Auftraggeber sind, bin ich ganz entspannt. Es macht uns alle nur sprachlos, was das Ganze für Wellen schlägt.“ Immerhin, nach den letzten Entwicklungen hat sich Anja Starick bei einigen der Beet-Initiatoren entschuldigt, berichtet Hegmann. „Allerdings nicht offiziell bei uns – und ja, das finde ich schon ein wenig schade.“ Grundsätzlich wundert er sich über den vielen Ärger. „Die erste Reaktion seitens des Umwelt- und Gartenamts Kassel war einfach traurig. Es heißt ja immer, ,wir brauchen mehr Stadtgrün‘, dann wird eine tolle Idee umgesetzt und das ist auch nicht richtig… schade!“ Sein persönlicher Rat an die Stadt lautet: „Lasst die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mal machen, nicht alles streng reglementieren! Es gibt so viele tolle Ideen, alles was natürlich und nachhaltig ist, kann nicht so verkehrt sein.“