Japanische Pflanzenwelt: Eigentlich kein Geheimnis mehr
Japan ist vor allem für den Yoshino-Kirschbaum, Chrysanthemen und zahlreiche Bonsai-Arten bekannt. Die rund 15.000 beheimateten Pflanzen gelten als gut erforscht, vor allem in Metropolregionen wie Tokyo oder Yokohama. Doch was irrtümlicherweise jahrelang für die weitverbreitete Orchideenart Spiranthes australis gehalten wurde, erweist sich jetzt als eine völlig neue botanische Spezies – die Spiranthes hachijoensis. Die Unterschiede zu ihren Artverwandten? Haarfein.
Manche Orchideen-Arten sehen sich zum Verwechseln ähnlich
Schon 2015 entdeckte der Biologe Dr. Kenji Suetsugu eine bislang unbekannte Orchideenart bei einer Exkursion auf die Insel Hachijō-jima. Morphologisch erinnert sie stark an ihre bekannten Geschwister aus dem Spiranthes Sinensis-Artenkomplex, wie etwa die Spiranthes hongkongensis oder die Spiranthes australis, doch fehlen ihr die typischen Härchen an Rhachis, Fruchtknoten und Kelchblättern. Die Gattung Spiranthes als solche zählt rund 50 Arten, die auf dem amerikanischen Kontinent, Eurasien und Australien vorkommen. Dennoch wird die Abgrenzung eng verwandter Spiranthes-Arten allein nach morphologischen Gesichtspunkten durch phänotypische Plastizität, konvergente morphologische Merkmale und Hybridisierung erschwert. Kurzum: Selbst für Experten sind die Orchideen schwer zu unterscheiden.
Spiranthes hachijoensis – die perfekte Tarnung
Für Dr. Kenji Suetsugu und sein Team fing die Arbeit mit ihrer Entdeckung aber erst an: Über Jahre hinweg verglichen die Wissenschaftler 28 Exemplare der haarlosen Orchidee mit 27 anderen Arten des Spiranthes-Komplexes aus Südostasien, bis sie sich schließlich sicher waren: „Ja, wir haben tatsächlich eine neue Orchidee entdeckt!“ Neben der fehlenden Behaarung zeichnet sich Spiranthes hachijoensis durch ihre besondere Blütenmorphologie aus: So hat die Orchidee, im Gegensatz zu anderen Spiranthes-Arten, kleinere Blüten, ein schwach-gebogenes Labellum, eine halbmondförmige Narbe, sowie einen ein degeneriertes Rostellum und Pollinien ohne Viscidium. Auch blüht Spiranthes hachijoensis schon Anfang Mai ¬– deutlich früher als andere Spiranthes in Japan. Umso erstaunlicher ist, dass sich die Pflanze jahrelang so erfolgreich verbergen konnte, denn Spiranthes hachijoensis versteckt sich nicht im Schutz tropischer Wälder, sondern bevorzugt Standorte wie Parks oder Gärten. Da sie aber gern in Gesellschaft verwandter Spiranthes-Arten wächst, blieb sie bislang einfach unerkannt. Fazit: Es lohnt sich also immer, genauer hinzuschauen, dann entpuppt sich manchmal auch ein Mauerblümchen als botanische Überraschung.