Robustes tropisches Gras Paspalum vaginatum
Keine anderen Grünflächen standen in den vergangenen Wochen so sehr auf Bewährungsprobe wie die Rasenflächen in den acht WM-Stadien in Katar. Zu der Belastung, den ein Sportrasen sowieso aushalten muss, kommen die speziellen Witterungsbedingungen eines Wüstenstaates hinzu. Prof. Martin Bocksch unterrichtet Landschaftsarchitektur an der Hochschule Geisenheim und ist zudem Vorstandsmitglied der Deutschen Rasengesellschaft. Bocksch weiß, woraus der Rasen der Champions gemacht ist: „Grundlage für die Grasnarben in Katar ist ein tropisches Gras namens Paspalum vaginatum ‘Platinum TE’. Das ist eine absolute Neuheit, denn noch nie zuvor wurde auf dieser Grasart eine Fußballweltmeisterschaft ausgetragen.“ Laut Bocksch sind es zwei Eigenschaften, die Paspalum vaginatum auszeichnen: Das tropische Gras bilde sowohl überirdische als auch unterirdische Ausläufer und sei deshalb extrem robust gegen hohe Belastung. Zudem könne es bedenkenlos mit Grauwasser oder salzhaltigem Wasser versorgt werden – perfekt für einen Wüstenstaat, in dem diese Ressource knapp ist.
Besondere Rasenmischung für Weltmeisterschaft
Doch es gibt ein Problem: Auch in Katar herrscht gerade Winter und das tropische Paspalum ruht in der Dormanzphase – das heißt, es finden kein Wachstum und keine Regeneration statt. „Um dennoch eine perfekte Grasnarbe zu gewährleisten, wurde Paspalum vaginatum mit mehren Sorten des Deutschen Weidelgrases (Lolium perenne) übersät. Das Weidelgras ist ein Kaltzonengras und kommt deshalb auch mit milden Temperaturen zurecht. Außerdem verbessert diese Übersaat zusätzlich die Oberflächenhärte, Scherfestigkeit und optimiert zudem die Narbenfarbe“, weiß Bocksch. Doch die Kombination aus Warm- und Kaltzonengräsern ist nicht einfach zu kultivieren, deshalb mussten umfangreiche Vorkehrungen getroffen werden: Um zu verhindern, dass die Weidelgrassamen gleich nach der Keimung absterben, da es zu heiß ist, wurde ab September der katarische Winter simuliert, indem die Rasenflächen mittels Klimatechnik kühl gehalten wurden.
Niederländischer Rasenspezialist boykottierte WM
Selten hat eine Fußballweltmeisterschaft so polarisiert wie die jetzige in Katar. Laut einer Umfrage von Infratest dimap wollten 56 Prozent der Bundesbürger auf das Fernsehspektakel verzichten, doch ein umfassender Boykott blieb aus, die Einschaltquoten spiegeln die allgemeine Empörung nicht wider. Zur unfreiwilligen Symbolfigur der Protestbewegung wurde Erik Hendriks (57), Inhaber von „Hendriks Graszoden“, seines Zeichens Rasenprofi aus Heythuysen in den Niederlanden. Hendriks lieferte schon zu zahlreichen Sportevents seinen Rollrasen, so auch zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Doch vor anderthalb Jahren weigerte er sich, das grüne Gold in den Wüstenstaat zu liefern. Die Gründe für Hendriks’ Entscheidung – vor allem moralischer Natur: Laut Berichten der britischen Zeitung „The Guardian“ verstarben allein über 6.500 Menschen auf den verschiedenen WM-Baustellen.