Hybridisierung von Wildblumen erstmals erforscht
Eine Untersuchung von einheimischen Blütenpflanzen Großbritanniens hat zu neuen Erkenntnissen über den Prozess geführt, der es Wildpflanzen ermöglicht, sich über Arten hinweg zu vermehren. Die Fähigkeit dieser Hybridisierung gilt als eine der stärksten evolutionären Kräfte der Pflanzen und war bislang kaum erforscht. Nun haben Wissenschaftler der University of Edinburgh an mehr als 1.100 britischen Wildblumen diejenigen Faktoren untersucht, die ganz besonders zur Bildung von Hybriden beitragen. Dabei stellten die Experten Erstaunliches fest: Britische Wildblumen bevorzugen bei der Wahl ihres Sex-Partners nahe Verwandte – direkte (lokale) Nachbarn waren hingegen weniger interessant. Diese Erkenntnisse über die „Paarungsgewohnheiten“ der einheimischen Wildblumen Großbritanniens stellen die weltweit erste genetische Studie von Hybriden aus einer einheimischen Flora dar. Für die Studie stützte sich das Forschungsteam auf umfangreiche frühere Untersuchungen der britischen Flora. Dieses Wissen kombinierten sie anschließend mit Daten über ökologische Faktoren, genetische Analysen und den evolutionären Stammbaum der Pflanzen.
Genetische Faktoren bei der Partnerwahl von Blumen entscheidend
Die Forscher haben anhand ihrer Studie gezeigt, dass genetische Faktoren bei der Partnerwahl von Wildblumen um ein Vielfaches wichtiger sind als ökologische. Für eine Hybridisierung spielt die nahe Verwandtschaft demnach eine weitaus größere Rolle als etwa die geografische Entfernung. In der Tierwelt sind Hybride, wie zum Beispiel Maultiere, meist unfruchtbar und stellen eine evolutionäre Sackgasse dar. Bei Pflanzen hingegen sind fruchtbare Hybride üblich und können der Treibstoff für ihre Evolution sein. Die Forscher aus Edinburgh beweisen in ihrer Untersuchung, dass Pflanzenarten mit unterschiedlich vielen Chromosomensätzen (den sogenannten Ploidien), keine absolute Barriere für die Bildung von Hybriden sind. Diese „undichte“ Stelle ermöglicht die interspezifische Paarung, was drastische evolutionäre Auswirkungen auf die Pflanzenwelt haben kann: Vom „Übertreffen“ der Eltern zur Bildung neuer Arten bis hin zur genetischen Überschwemmung anderer seltener Arten. Forschungsleiter Dr. Alex Twyford, kommentierte die Ergebnisse: „Die britische Flora ist die am intensivsten erforschte der Erde, und es wurden jahrhundertelang Anstrengungen unternommen, um unsere heimischen Pflanzen zu erfassen und zu verstehen. Wir hoffen, dass unsere Studie (die erste, die den genetischen Kontext der Hybridisierung zwischen allen Arten einer Flora untersucht), den Wert der Kombination klassischer Pflanzenerfassung mit modernen genetischen Daten verdeutlicht.“
Bessere Überwachung der Biodiversität weltweit
Die nun gewonnenen Ergebnisse haben womöglich immense Auswirkungen auf die Erhaltung einheimischer britischer Blumen, die zu den weltweit am stärksten bedrohten Pflanzen zählen. Biologen begründen das unter anderem mit einer zu intensiven genetischen Vermischung, die immer wieder zum Aussterben einheimischer britischer Arten führt. Die Tatsache, dass Wildblumen bei der Fortpflanzung nahe Verwandte bevorzugen, könnte dem künftig entgegenwirken. In der Studie heißt es, dass sich die Forscher perspektivisch verstärkt auf die Überwachung von seltenen Arten und ihren nahen Verwandten konzentrieren würden, da diese leicht Hybriden bilden. So ließe sich eine Überwachung der Biodiversität angesichts großflächiger Umweltveränderungen noch spezifischer gestalten. Und auch über die Grenzen Großbritanniens hinaus ist es möglich, dass die Untersuchung neue Erkenntnisse über die Hybridbildung von Pflanzen weltweit anstößt.