Weiße Winterlandschaft mitten im Juni
Von heftigen Unwettern im Allgäu wurde in den überregionalen Medien nach dem Pfingstwochenende berichtet. Durch teils starke Hagelschauer hatten sich viele Straßen, Plätze und Gärten vorübergehend in weiße Winterlandschaften verwandelt, schilderte etwa der Bayerische Rundfunk. Zur Beseitigung der dicken Hagelschicht wurden unter anderem Radlader eingesetzt. Besonders betroffen war demnach die Marktgemeinde Weiler-Simmerberg im Landkreis Lindau, wo auch die Gärtnereien von Armin Rochelt und Lukas Hauf ansässig sind.
Pflanzen im Freiland vom Unwetter „entlaubt“
„Wir standen draußen und sahen die schwarze Gewitterfront heraufziehen“, erinnert sich Lukas Hauf aus Simmerberg an das Unwetter am 5. Juni. „Da war sofort klar, dass jetzt nicht nur ein bisschen Regen kommt.“ Weil die Hagelkörner zwar zahlreich, aber zum Glück klein waren, musste sich Hauf zumindest keine Sorgen um seine Gewächshäuser machen – „wir sind bei uns im Allgäu Schnee gewöhnt, unsere Gewächshäuser sind auf diese Mengen ausgelegt“, so der 37-Jährige. Alle Produkte im Freiland dagegen wie Rosen oder Ziergehölze seien nach dem Hagelschauer jedoch „entlaubt“ und nicht mehr verkaufsfähig gewesen, so Hauf. Auch bei den Bäumen in Haufs Garten „wurden die Blätter von den Hagelkörnern zerschossen und einfach weggeweht“.
Verkaufsfertige Rosen und Sträucher vom Hagel zerschlagen
Ähnliches berichtet Armin Rochelt, in dessen Blumen-Gärtnerei in Weiler ebenfalls verkaufsfertige Rosen und Sträucher vom Hagel zerschlagen wurden. „Im Außenbereich hatten wir fast einen Totalschaden“, so Rochelts Bilanz. Weil durch den Hagel darüber hinaus alle Gullys und Überläufe verstopft waren, sei zudem Wasser in die Gärtnerei, ins Büro und den Verkaufsraum eingedrungen – dabei seien unter anderem Trockenblumen sowie mehrere Holzregale zu Schaden gekommen. Dank eingesetzter Wassersauger, Lüfter und Bautrockner konnte das Blumengeschäft nach Pfingsten jedoch bereits wieder öffnen, sagt Rochelt. „Und die Pflanzen im Außenbereich wurden halt zurückgeschnitten, sodass zum Beispiel die Rosen jetzt wieder anfangen zu blühen.“
Aktion „Gärtner für Gärtner“ ins Leben gerufen
Dass sich die Schäden in ihren Betrieben glücklicherweise im Rahmen hielten, berichteten die beiden wenige Tage später auch ihrem Kollegen Andreas Zwickel, der in seinem Gartenbau-Unternehmen im knapp 100 Kilometer entfernten Salgen-Hausen Topfpflanzen sowie Beet- und Balkonware für Endverkaufsgärtnereien und Blumenfachgeschäfte produziert und aus den Medien von dem Hagelunwetter in Weiler-Simmerberg erfahren hatte. Weil in der Marktgemeinde selbst jedoch zahllose Blumen in Beeten, Balkonkästen oder auf Gräbern vom Hagel zerschlagen worden waren, riefen die drei spontan die Aktion „Gärtner für Gärtner“ ins Leben. „Da die diesjährige Beet- und Balkonsaison sehr schwierig war, hatten wir noch Pflanzen-Überhänge, unter anderem Geranien und Semperflorens“, berichtet Andreas Zwickel. Diese wollte er den Menschen in Weiler-Simmerberg mit Unterstützung der beiden ortsansässigen Gärtner kostenlos zur Verfügung stellen.
Gärtner verschenken tausende Beet- und Balkonpflanzen
Wenige Tage später wurde die Idee bereits in die Tat umgesetzt – Hauf und Rochelt bekamen am 21. Juni von Andreas Zwickel jeweils rund 1.000 Saisonpflanzen, vorwiegend Geranien und Eisbegonien, geliefert (siehe Bild rechts, Foto: Gartenbau Zwickel) und stockten diese noch mit eigener Ware auf. „Insgesamt standen bei uns zwischen 4.000 und 6.000 Pflanzen, die wir verschenkt haben“, so Hauf über die Aktion. Ergänzt wurde das Angebot in den beiden Gärtnereien mit preisreduzierten Pflanzen. „Die Leute sind gekommen und haben die kostenlosen Geranien mitgenommen, sind dann aber auch durch die Gärtnerei gelaufen und haben noch Topfrosen oder Gehölze gekauft“, berichtet Hauf.
Pflanzen binnen kürzester Zeit vergriffen
Im Vorfeld kommuniziert wurde die Aktion über eine in Weiler-Simmerberg bestehende, sehr aktive WhatsApp-Gruppe mit rund tausend Teilnehmern. „Das hat dann echt schnell die Runde gemacht“, erinnert sich Andreas Zwickel. Auch die lokale Presse berichtete darüber, dass in den Gärtnereien von Lukas Hauf und Armin Rochelt ab dem 22. Juni tausende Beet- und Balkonpflanzen verschenkt werden – und zwar bewusst nicht nur an Unwettergeschädigte, sondern an alle Bürger. „Wenn wir gesagt hätten, ‚Aber nur die Hagelopfer‘, hätte sich am Ende vielleicht keiner getraut zu kommen“, so die Befürchtung der Gärtner. So aber gingen Geranien, Eisbegonien, Calibrachoa und Co. binnen kürzester Zeit weg. „Am Dienstag haben Hauf und Rochelt die Pflanzen bekommen, am Mittwoch ist die Aktion gestartet, und bereits am ersten Tag waren zwei Drittel der Pflanzen weg“, fasst Andreas Zwickel den Ablauf noch einmal zusammen.
„Die Aktion war ein Traum“
„Die Aktion war ein Traum“, sagt Armin Rochelt, der nicht damit gerechnet hatte, dass die Pflanzen so schnell vergriffen sein würden. „Die Leute haben sich bedankt und im Nachhinein Schokolade oder eine Flasche Wein vorbeigebracht. Auch die Trinkgeldkasse unserer Floristinnen und Verkäuferinnen ist während der Aktion ganz schön angeschwollen.“ Rund 200 Geranien gingen zudem an den örtlichen Gartenbau-Verein, der im Auftrag der Gemeinde die Blumenkästen an den Brückengeländern des Hausbachs bestückt, wie Rochelt ergänzt. Auch dort waren die Pflanzen durch das Hagelunwetter zerstört worden. „Die haben sich natürlich auch bedankt und gefreut.“
Lukas Hauf berichtet ebenfalls von Menschen, die sich „tausendfach bedankt und wahnsinnig viel Trinkgeld gegeben“ haben. Zwar hätten einige sich „die Geranien geschnappt und weder ‚Hallo‘ noch ‚Tschüss‘ gesagt“, erinnert er sich. „Die meisten jedoch haben gesagt, wie schön sie es finden, dass Gärtner, die eigentlich Konkurrenten sind, durch so ein Unglück zusammenarbeiten. Dass es ein Miteinander, und kein Gegeneinander war.“ Jetzt hoffen die Gärtner, dass sie einigen Kunden durch die Aktion „in guter Erinnerung“ bleiben, wie Rochelt sagt. „Wir wünschen uns alle, dass die Kunden jetzt sagen, ‚bevor ich in einen Verbrauchermarkt gehe, hole ich mir meine Pflanzen beim Gärtner Hauf oder Rochelt.“