Strom und Drang bei Landgard
Klein und blau kommt er daher, der „neue Kollege“. Mit gemächlichen 3,6 km/h gleitet die sogenannte AMR-Lösung durch einen Tunnel am Landgard-Standort Herongen, der verschiedene Hallen miteinander verbindet. AMR – das steht für „Autonome Mobile Roboter“ und der kleine Transporter macht diesen Eigenschaften alle Ehre. Als selbstfahrendes und autonom navigierendes System ist er dazu in der Lage, sich in einer dynamischen Umgebung ohne menschliche Hilfe zu bewegen. Auch enge Kurven nimmt der kantige Transporter gelassen und biegt behutsam um die Ecke. Für Stefan Dünnwalds Geschmack, der als Bereichsleiter Fachhandelsvertrieb das Logistik-Projekt angestoßen hat und betreut, noch zu behutsam. „Man merkt dann, dass die Maschine noch in der Testphase läuft. Vor Kurven oder Biegungen verlangsamt er sich deutlich, das werden wir in Absprache mit dem Hersteller noch optimieren.“ Davon einmal abgesehen, hat sich die Maschine jedoch bereits gut in das Erscheinungsbild der riesigen Verladehallen mit Tausenden Blumen und Pflanzen eingefügt.
Bis zu sechs voll beladene CC-Karren pro Fahrt
Der Induros – so taufte ihn sein deutscher Hersteller – zieht eine lange Schlange mit ratternden CC-Karren voll bunter Blumen hinter sich her. Mit einer Akkuladung schafft er das mindestens sportliche zwölf Stunden lang, dabei kann er jeweils bis zu 500 Kilo transportieren. Bei Landgard bedeutet das: Pro Fahrt manövriert er bis zu sechs voll beladene CC-Karren durch die Intralogistik des Fachhandels – fünfmal in der Stunde fährt der Roboter damit von A nach B. „Aktuell sind wir noch in der Findungsphase und probieren aus, für welche Wegstrecken sich der Transportroboter am besten eignet“, erklärt Dünnwald. Die Testphase endet im Juni 2023, bis dahin wird die Praxis zeigen, wo Optimierungsbedarf besteht. Fest steht schon jetzt, dass der autonome Helfer zuvor definierte Routen abfährt. Möglich ist das dank einer integrierten Software, die dem Induros navigatorische Fähigkeiten einhaucht. Die sind in der Landgard-Logistik auch dringend nötig, immerhin müssen Mensch und Maschine hier rund 10.000 Quadratmeter Hallenfläche bewerkstelligen.
Integriertes Navi weist den Weg
Damit sich der 110 Kilo schwere Neuankömmling in Zukunft sicher durch die Hallen bewegen kann, gab es daher entsprechende Vorkehrungen. „An einem Samstag wurden dazu die potenziellen Einsatzbereiche des Roboters mit einer Spezialkamera aufgenommen. Das kann man sich ähnlich vorstellen wie bei Google-Street-View“, verrät Cedric Baum, der den Transportroboter im Landgard-Fachhandelsvertrieb betreut. „Auf dem so entstandenen 2D-Bild der Hallen haben wir dann Routen mit Stopp-, Lade- und Abladepunkten definiert. Der Roboter bestimmt nun über mehrere Sensoren kontinuierlich seine Position innerhalb des hinterlegten 2D-Modells und folgt den vorgegebenen Routen.“ Mithilfe ihrer Scanner erkennt die kleine Transporthilfe die Ladungsträger an festgelegten Punkten. Der Roboter dockt anschließend eigenständig an, bringt die CC-Karren an ihren vorher festgelegten Bestimmungsort und löst dort automatisch die Verbindung. Auf dem Rückweg kann er dann direkt Leergut mitnehmen, sofern das im Programm hinterlegt ist und die CC-Karren mit den entsprechenden Transporthaken versehen wurden. Den Weg des Roboters kann Cedric Baum in Echtzeit auf seinem Tablet und über eine Website von überall aus verfolgen. Im Rahmen der Testphase kurvt die Maschine jedoch vorerst lediglich morgens und nachmittags durch die Hallen. „In unserer Spitzenzeit hat der Roboter Pause, da wäre es in der Halle definitiv zu wuselig. Darum nutzen wir diese Zeit zum Aufladen des Akkus“, so Stefan Dünnwald.
Digitalisierung gibt den Takt an
Damit aber auch in „wuseligen Zeiten“ ein unfallfreies Miteinander möglich ist, hat der Roboter ein helles, großes Blinklicht auf dem Dach. Zusätzlich machen ein großer Blinker und Rücklichter den Induros schon aus der Ferne gut sichtbar. Sollte im Eifer des Verlade-Gefechts doch mal ein Mitarbeiter vor den Transporter stolpern, reagiert dieser abrupt und kommt rechtzeitig zum Stehen. Außerdem weisen Kundenstopper und Plakate an den Ein- und Ausgängen der Hallen die Mitarbeitenden und Produzenten darauf hin, dass autonome Fahrzeuge Vorfahrt genießen. „Hier hat also die Zukunft Vorfahrt?“, fragen wir Dünnwald. „Die Digitalisierung gibt auf jeden Fall den Takt an“, bestätigt dieser. Und wie geht das Unternehmen mit Unsicherheiten von Mitarbeitern um, die den Roboter womöglich als Konkurrenz betrachten? Projekt-Initiator Stefan Dünnwald sagt dazu: „Der Personalmangel trifft natürlich auch unsere Branche. Mit dem Transporter schließen wir einfach eine personelle Lücke. Für die Kollegen bedeutet der Induros auch Entlastung, weil sie so mehr Zeit für ihre Kernaufgaben haben.“ Das sieht auch der Betriebsrat von Landgard so und gab grünes Licht. Die logistische Zukunft des Unternehmens ist also ein symbiotisches Miteinander zwischen Mensch und Maschine – mit Blumen und Pflanzen als organisches Bindeglied.