Projekt: Blütenpflanzen für Insekten in urbanen Lebensräumen
Es ist ein spannendes und äußerst aktuelles Projekt, in das die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg integriert ist: Sie ist Leadpartner in der operationellen Gruppe „Blühinsel“ (Kürzel für BLÜtenpflanzen für INSekten in urbanen Lebensräumen) im Rahmen des EIP-Agri-Programms. Ziel der Gruppe ist es, das bestehende Beet- und Balkonpflanzen-Angebot auf seinen Nutzen für Insekten hin zu untersuchen und darauf aufbauend ein sowohl konventionell als auch ökologisch produzierbares Sortiment zu entwickeln.
Dafür hat die LVG in diesem Projekt nicht nur den Insektenzuflug an Beet- und Balkonpflanzen, sondern auch an Inselpflanzungen an verschiedenen innerstädtischen Standorten ganz genau unter die Lupe genommen – und kam zu auch für die gärtnerische Kundenberatung interessanten Ergebnissen, wie Ute Ruttensperger von der LVG Heidelberg ausführt. Sie zieht folgende drei Zwischenfazits:
1. Auch gefüllte Blüten können für Insekten attraktiv sein
Versuche im Jahr 2008 zeigten den stärksten Insektenbeflug des Sortiments an Euphorbia, Lobularia und Scaevola, zudem beflogen die Insekten auch Bidens, Bracteantha, Dahlia, Echinacea, Geranium, Lobelia, Nemesia und Tagetes, kaum dagegen Dianthus, Pelargonium und Verbena. Weiterführende Vergleiche zweier unterschiedlich gefüllter Dahlien-Sorten zeigten aber bei der gefüllten Sorte ‘Dalaya Krishna’ durchaus gute Beflüge, bei der gefüllten Sorte ‘Dalaya Suna 17’ dagegen keine.
Wichtig, so Ruttensperger, ist, dass die Staubbeutel in der Mitte sichtbar, Nektar und Pollen für das Insekt erreichbar sind, dann werden sie auch angeflogen. Das sollte in der Kundenberatung berücksichtigt werden. Mit zunehmendem Füllungsgrad stehe der Pollen später, über einen kürzeren Zeitraum und damit in geringeren Mengen zur Verfügung.
2. Züchterisch bearbeitete Zierpflanzen werden ebenfalls als Nahrungsquelle genutzt
In den Heidelberger Versuchen wurden verschiedene Salvia- und Bidens-Sorten völlig unterschiedlich stark beflogen – bei Bidens weiße Blüten besonders gut, vor allem von Honigbienen. Laut Ruttensperger werden züchterisch bearbeitete Pflanzen also durchaus als Nahrungsquelle genutzt – allerdings in unterschiedlichem Maße. Gegenüber Wildblumen hätten diese Pflanzen durchaus Vorteile – neben ihrer optischen Schönheit: Sie zeigen eine lang anhaltende Blüte und können damit blütenarme Zeiten von Wildpflanzen überbrücken. Sie bieten ein zusätzliches Angebot an Pollen und Nektar, wobei derzeit noch weiter untersucht werden soll, ob eher die Pollen oder eher Nektar das anziehende Kriterium sind. Ruttensperger schätzt nach eigenen Erfahrungen aber, dass es eher der Nektar ist, den die Insekten hier nutzen.
3. Urbane Pflanzungen brauchen Insekten-Habitate
An insgesamt zehn Standorten in Stuttgart stellte die LVG in Zusammenarbeit mit Partnern wie Bioläden, Kindergärten, Schulen und urbanen Gartenprojekten, aber auch der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim Pflanzkübel mit einem bunten Beet- und Balkonkasten-Sortiment auf. Dieses enthielt Bidens, Cleome, Coreopsis, Dahlia, Euphorbia, Gaura, Helitropum, Scaevola und Salvia. Erfreuliches Ergebnis: An allen urbanen Standorten waren alle gängigen Bestäuber vorhanden, zwar unterschiedlich stark, aber darunter auffällig viele Wildbienen. Der Bestäuber-Zuflug ist den Untersuchungen zufolge weit mehr vom jeweiligen Jahr als vom Standort abhängig. „Auch auf versiegelten Flächen ist viel machbar: Deshalb sollten Insekten-Habitate und Möglichkeiten zur Vermehrung, beispielsweise Wildbienenhotels, in urbanen Pflanzungen auf keinen Fall fehlen“, so Ruttensperger.
Die laufenden Heidelberger Versuche widerlegen deutlich die Annahme, dass gefüllte und züchterisch bearbeite Zierpflanzen nicht nützlich für Insekten sind. „Jeder Quadratmeter zählt“, so Ruttensperger. In wie weit das auch für Frühjahrsblüher zutrifft, testet die LVG Heidelberg in weitergehenden Versuchen – ebenso die Insektenfreundlichkeit von Stauden-Mischungen und vertikalen Begrünungen.