Marketing im Gartenbau: „Ich wünsche mir in der Branche mehr Mut“

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„Das zu produzieren und zu vermarkten, was man selbst kaufen würde, ist der falsche Ansatz“, findet Marketing-Spezialist Richard Petri. Foto: privat

Mit der erfolgreichen Kampagne „Pink Kisses“ von Selecta one machte Richard Petri in der Branche von sich reden. Seit wenigen Monaten ist der umtriebige Marketing-Spezialist nun als freier Berater im Gartenbau tätig. Die TASPO sprach mit Petri über (Pflanzen-)Marken, erfolgreiche Kampagnen und wo der Gartenbau vielleicht alte Pfade verlassen und neue Wege einschlagen muss.

„Pink Kisses“ ist eine Ihrer erfolgreichsten Kampagnen. Was können andere daraus lernen?

Wir haben bei der Idee für die Kampagne gezielt nach neuen Wegen gesucht. Das heutige Wertschöpfungsmodell des Gartenbaus lässt vielen Akteuren kaum mehr Handlungsspielraum. Es geht fast nur noch um ruinösen Preiskampf. Angetrieben wird dies oft vom Systemhandel, der durch hohe Mengenanfragen zu Billigstpreisen neue Preisstandards setzt. 

Bei Pink Kisses setzten wir auf Konsumentenwerbung, damit zum einen der Handel in jedem Fall Pink Kisses listet und andererseits die Nachfrage seitens der Verbraucher dauerhaft anhält. 

Pink Kisses ist sicher ein besonderes Produkt, denn die Haltbarkeit ist für eine Blühpflanze am Point of Sale außergewöhnlich gut, sodass diese lange abverkauft werden kann. Das funktioniert bei vielen Beet- und Balkonpflanzen nicht so einfach. Dadurch, dass das Produkt nun fast ganzjährig vermarktet wird, unterstützt dies den Markenaufbau.

Was also braucht es für eine Marke?

Zunächst einmal braucht es ein differenzierbares Produkt. Es muss nicht unbedingt neu sein, aber einen hohen Wiedererkennungswert haben. Dann muss ich mir darüber klar werden, wer meine Käufer, also meine Zielgruppe, sind. Und ich muss überlegen, wie ich diese kommunikativ erreiche und ob sie mein Produkt auch in den Geschäften wiederfinden können. Wenn das alles zusammenpasst, kann ein Produkt zur Marke werden, sofern man in Kommunikation investiert.

Was ist denn entscheidend für die Kommunikation mit meiner Zielgruppe?

Entscheidend ist, dass man eine Vorstellung hat, wer mein Produkt kaufen wird. Man sollte also wissen, wie die Käufer ticken, was sie interessiert und bewegt. Das muss im Übrigen nicht meinen eigenen Geschmack treffen. Das ist überhaupt ein großes Missverständnis, dem viele aufliegen. Das zu produzieren und zu vermarkten, was man selbst kaufen würde, ist der falsche Ansatz, da wir oft mit Spezialwissen Verkaufspotenziale einschätzen. 

Bei Pink Kisses haben wir die Kommunikation an junge Frauen ausgerichtet. Glauben Sie, für diese Zielgruppe ist es wichtig zu wissen, dass die Nelken winterhart sind? Die meisten haben noch nicht einmal einen Garten, wo sie die Pflanzen einpflanzen können. Pink Kisses ist ein Impulsprodukt für die junge Generation, es weckt Emotionen, und damit spielen wir in der Kommunikation. 

Die Informationen, die für die Zielgruppe nicht relevant sind, lässt man weg und fokussiert lieber auf seine Kernbotschaft. Am Ende verkaufen wir emotionale Produkte, egal ob es Schnittblumen, Zimmerpflanzen oder Balkongeranien sind. Darüber wird aus meiner Sicht viel zu wenig nachgedacht.

Gibt es vielleicht vergleichbare Kampagnen, die Sie als Vorbilder nennen können?

Ich denke, Pink Kisses ist in der Branche bisher einzigartig. Dennoch gibt es natürlich gute Beispiele, wo eine Pflanze zur Marke wurde: „Endless Summer“ würde ich hier nennen. Dem Produkt wurde nicht nur ein starker Name gegeben, sondern dazu gibt es eine Webseite mit Informationen und Bildern sowie eine Menge an verkaufsfördernder Unterstützung am Point of Sale. Das Produkt ist präsent!

Jetzt nehmen wir mal an, ich bin Züchter und habe eine neue Pflanze entwickelt, die ich am Markt platzieren möchte. Wie kommen wir ins Geschäft?

Zunächst einmal müssen Sie an Ihr Produkt glauben. Und Sie müssen wissen, was Sie damit erreichen möchten. Ist es ein „One-Shot“ oder soll eine dauerhafte Positionierung am Markt erreicht werden? Für den Vertrieb sind vorhandene Marktzugänge wichtig und welche noch geschaffen werden müssen. 

Entscheidend ist auch die Bereitschaft, ein Marketing-Budget zur Verfügung zu stellen. Für eine vernünftige Kampagne sollte man hier einen fünfstelligen jährlichen Betrag anrechnen – langfristig Jahr für Jahr! Mit der Ansage „Mach mir mal ein Logo“ ist es nicht getan. Marketing hat einen Wert – genau wie eine Topfmaschine oder ein Gewächshaus. 

„Rausgeschmissenes Geld“ höre ich leider oft, wenn es um Marketing-Budgets geht ... Wer interessiert ist, ein Produkt langfristig am Markt zu platzieren und dafür auch bereit ist, Geld in die Kommunikation zu investieren, der sollte mich kontaktieren.

Wo muss der Gartenbau vielleicht alte Pfade verlassen und neue Wege einschlagen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir in der Branche mehr Mut, quer zu denken und traditionelle Muster zu verlassen oder sie zumindest in Frage zu stellen. Nur zu produzieren, reicht aus meiner Sicht nicht für alle Zeiten aus. Insbesondere Innovationen müssen sinnvoll platziert werden, ohne dass der Verkauf einzig über den Preis geht. 

Es gibt Studien und Aussagen, die besagen, dass Verbraucher bei Pflanzen problemlos höhere Preise akzeptieren würden. Viele Konsumenten haben im Unterschied zu Milch oder Kopfsalat bei unseren Produkten keine Eckpreise im Kopf. Das ist ein ungenutzter Vorteil.

Das komplette Interview mit Marketing-Spezialist Richard Petri lesen Sie in der TASPO 12/2019, die Sie im TASPO Online-Shop abrufen können.

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