Metall-Forderungen relevant für Floristen?

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Die Tarifverhandlungen in der Elektro- und Metallbranche gelten auch in anderen Branchen als Wegweiser für künftige Entwicklungen bei den Rahmenbedingungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sind sie auch für die Floristen-Branche eine Richtschnur?

Neben Lohnerhöhungen fordert die IG Metall, dass Arbeitnehmer auf Wunsch künftig für eine begrenzte Zeit von zwei Jahren ihre Arbeitszeit auf 28 Stunden reduzieren dürfen, wenn sie sich in dieser Zeit um kranke Eltern oder Kinder unter 14 Jahren kümmern. Auch Schichtarbeiter sollen in den Genuss dieser sogenannten „verkürzten Vollzeit“ kommen. Die TASPO sprach mit Florist Kai Jentsch (Bargteheide), Vorsitzender der Tarifkommission des Fachverbands Deutscher Floristen (FDF) und Vorsitzender des FDF in Schleswig-Holstein, über eventuelle Auswirkungen für die Grüne Branche.

Kündigt sich da ein Paradigmenwechsel an, geht es künftig mehr um kürzere Arbeitszeiten und weniger um höhere Löhne und Gehälter?

Arbeitszeiten, ganz allgemein die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das ist schon länger ein wichtiger Aspekt und auch in unserer Branche ein Kernthema der Arbeitnehmerbindung. Mit Blick auf die Demografie sind Pflege oder Kinderbetreuung Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Dies ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Mir leuchtet nicht ein, was so etwas in einem Tarifvertrag zu suchen hat.

Die Generation Y, also die nach 1980 Geborenen, prägen nun die Arbeitswelt. Setzt diese Generation andere Prioritäten?

Ich denke ja. Freie Zeit wird gegenüber der Entlohnung immer wichtiger. Nicht nur für die Generation Y, auch für ältere Mitarbeiter ist Zeit ein wesentlicher Faktor. Andererseits möchten heute viele Menschen weiter arbeiten, auch, nachdem sie das Rentenalter erreicht haben. Darin liegen Chancen.

Von Unternehmen, auch denen unserer Branche, wird aber heute grundsätzlich mehr erwartet als früher. Soft Skills wie soziale Kompetenz müssen heute nicht nur Personen, sondern ebenfalls Firmen mitbringen. Diese sollen nachhaltig wirtschaften, gesellschaftliche Aufgaben übernehmen, die Arbeitnehmer sollen leicht zur Arbeit kommen und ausreichend Freizeit haben.

Die Frage ist, wie viele von solchen Anforderungen in Gesetze und Vorschriften gemeißelt werden sollten? In Deutschland tendiert man nach wie vor dazu, bei individuellen Problemen allgemeingültige Lösungen zu definieren. Wir haben aber nicht zu wenige, sondern zu viele Regulierungen.

Gefordert wird von den Metallern, dass die Arbeitnehmer nach zwei Jahren Teilzeit ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle haben. Wäre so etwas in der Floristen-Branche machbar?

Bei dem eklatanten Fachkräftemangel nicht nur in unserer Branche sehe ich da kein grundsätzliches Problem, das gesetzlich reguliert werden müsste. Bei dem hohen Frauenanteil in unserer Branche sind individuelle Arbeitszeitveränderungen doch an der Tagesordnung. Es gibt ja auch längst Strukturen in der Privatwirtschaft, wo Aspekte wie Kinderbetreuung oder Seniorenpflege aufgenommen wurden.

Ein Beispiel: Wir sind mit unserem Unternehmen Gründungsmitglied der gemeinnützigen GmbH „Beruf und Familie im HanseBelt“. Darüber werden etwa konkrete Hilfestellungen bei der Notfallbetreuung von Kindern, Seniorenbetreuung oder soziale Beratung angeboten. Die teilnehmenden Unternehmen beweisen dadurch in konkreten Fällen ihre soziale Verantwortung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In den vergangenen Jahren sind durch die zunehmende Flexibilität der Arbeitszeit Freizeit und Arbeit stark ineinandergeflossen. Ist dies Segen oder Fluch?

Bei uns Floristen gehört Flexibilität bei der Arbeitszeit schon immer zum Alltag. Ich glaube aber auch branchenübergreifend, dass flexible Lösungen für Unternehmen wie für Arbeitnehmer gleichermaßen ein Gebot der Stunde sind. Das nach wie vor gültige Arbeitszeitgesetz sieht ja eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden vor. Das ist ein Relikt aus „analogen Zeiten“. Um ein nicht weit hergeholtes Beispiel zu konstruieren: Eine alleinerziehende Mutter wird froh sein, wenn sie in ihrem Homeoffice am Abend Aufträge bearbeiten kann, nachdem sie ihren Kindern in aller Ruhe eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen hat.

Wird angesichts des Fachkräftemangels künftig der Aspekt freie Zeit und Flexibilität der Arbeitszeit eine größere Rolle spielen?

Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen sind den Floristen und Gärtnern engere Grenzen gesetzt. Unsere Mitarbeiter können nicht im Homeoffice zu beliebiger Zeit am Computer Sträuße binden, die Gärtner können nicht etwa in der Freilandrosen-Saison mal eben drei Wochen lang nach Mallorca fliegen. Sicher scheint mir aber, dass die Frage nach den Arbeitszeiten beim Kampf um fähige Mitarbeiter eine zunehmende Rolle spielen wird. Selbst dann, wenn die Wirtschaft nicht mehr so brummt wie zurzeit. Denn die demoskopische Entwicklung ändert sich ja nicht.

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