Nachgefragt: Welche Stärken haben Stadtgärtnereien heute?

Veröffentlichungsdatum: , Therese Backhaus-Cysyk

Werben für die eigenen Stärken – wie die Vielfalt der produzierten Arten und Sorten. Foto: Stadtgärtnerei Waldshut-Tiengen

Sollte eine Stadtgärtnerei Vorreiter sein – bei modernen Produktionsmethoden, Nachhaltigkeit oder umweltfreundlichem Geräte-Einsatz? Wir fragten in den Stadtgärtnereien in Waldshut-Tiengen, Roth und Heidelberg nach. Letztere zählt zu einer der ersten Stadtgärtnereien, die auf Bio-Produktion umgestellt und diesen Schritt nie bedauert hat.

Heidelberg: „Veränderungen müssen in den Köpfen vollzogen werden“

Dr. Ernst Baader, Leiter Landschafts- und Forstamt bei der Stadt Heidelberg: „Nachhaltigkeit und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen sind mehr als nur eine betriebliche Entscheidung: Wir empfinden sie als eine gesellschaftliche Verpflichtung und als einen Beitrag, den wir auf örtlicher Ebene zum Umgang mit dem Klimawandel leisten können. Der Verzicht auf Pestizide und das Bekenntnis zur ‚Bio-Produktion‘ zielen in die gleiche Richtung: Warum sollten Qualitäten, die wir in der Nahrungsmittel-Erzeugung für wertvoll und richtig erachten, für den Umgang mit Zierpflanzen nicht zutreffen? Ich würde dabei nicht behaupten, dass eine Stadtgärtnerei Vorreiter sein muss, die Rahmenbedingungen gelten für alle Betriebe gleichermaßen, weil unser Tun direkte Auswirkungen auf unsere Umwelt hat. Und diese Umwelt unterscheidet nun einmal nicht, woher ihre Belastungen kommen.

Dass eine Stadtgärtnerei Vorreiter sein sollte, würde ich aber in jedem Fall bejahen. Weil der wirtschaftliche Erfolgsdruck einer Stadtgärtnerei mit dem eines privaten Betriebs natürlich nicht zu vergleichen ist, ergeben sich Spielräume, die man vor allem in der durchaus anstrengenden Phase der Umstellung von herkömmlicher Produktion auf Bio-Produktion nutzen kann. Dazu gilt es, an vielen Stellen neue Erfahrungen zu sammeln, an vielen kleinen Stellschrauben zu drehen, um am Ende eine Produktionsstätte zu erhalten, deren Veränderungen äußerlich zunächst wenig auffällig sind, die sich aber in ihrem Inneren deutlich vom Ausgangsbetrieb unterscheidet. Die Veränderungen müssen in den Köpfen vollzogen werden, Arbeitsprozesse müssen angepasst werden und die Sortimente und Sortimentsfülle müssen in Frage gestellt werden. Dazu bedarf es auch einiger Investitionen, die sich zumindest mittelfristig auch wieder rechnen sollten.

Bei all diesen Themen fällt es einer Stadtgärtnerei sicher leichter, die Umstellung auf den Weg zu bringen, zumal wir dabei auf eine breite gesellschaftliche und politische Unterstützung aus dem Gemeinderat bauen und vertrauen konnten. Ohne diesen politischen Zuspruch, würde es einer Stadtgärtnerei sehr schwerfallen, den Weg zu beschreiten. Ob wir in Heidelberg wirklich die erste Stadtgärtnerei in Deutschland waren, die auf Bio-Produktion umgestellt hat, kann ich tatsächlich nicht bestätigen, sicher ist nur: Wir waren ganz vorne mit dabei und haben diesen Schritt nie bedauert. Die Nachfrage und der Austausch mit anderen Stadtgärtnereien bestätigt uns in unserer Entscheidung, die offenbar in vielen Städten und Gemeinden mittlerweile ein sehr wichtiges Thema geworden ist. Gerade dieser Austausch und das Ringen um gute Lösungen und zielgerichtete Weiterentwicklungen sind ein wertvoller Nebeneffekt in der Phase der Umstellung aber auch darüber hinaus im alltäglichen Dauerbetrieb.“

Roth: „Sehen uns als Vorreiter beim Thema Blühwiesen“

Horst Hirschl, Leiter der Stadtgärtnerei in Roth: „Ob Stadtgärtnerei oder privater Produktions- oder Garten- und Landschaftsbau-Betrieb – alle Betriebe sind derzeit am Start, wenn es um nachhaltige Produktionsmethoden und umweltfreundlichen Geräte-Einsatz geht. Das beobachte ich zumindest im Vergleich mit regionalen Betrieben, mit denen ich Kontakt, etwa in Prüfungsverbänden, habe. Begeistert sind wir in unserer Stadtgärtnerei in Roth beispielsweise von den Pflanzenstärkungsmitteln, die fast besser funktionieren, als herkömmlicher Pflanzenschutz und nicht teurer sind.

Als Vorreiter sehen wir uns in Roth beim Thema Blühwiesen. Wir säen ein- und mehrjährige Blumenwiesen aus und haben sogar eine eigene Rother Mischung. Sowohl regionale Garten- und Landschaftsbau-Betriebe, als auch Privatleute sind begeistert davon und unsere Rother Mischung, die wir vor Ostern limitiert auf 500 Tüten à 50 Gramm abgeben, ist meist innerhalb von einer Woche vergriffen. Wir freuen uns, so die Bürger weg vom Einheitsgarten zu bringen.“

Waldshut-Tiengen: „Nachhaltigkeit ist zweifellos ein wichtiges Thema“

Bernd Kramm, Amtsleiter bei der Stadtverwaltung Waldshut-Tiengen: „Vorreiter hinsichtlich moderner Produktionsmethoden – hierzu sehe ich einen Kommunalbetrieb nur eingeschränkt in der Lage, da die Eigenproduktion einer Stadtgärtnerei in jedem Fall ein Zuschussbetrieb ist, und die kommunalen Mittel begrenzt sind. Vor einigen Jahren wurde die Gewächshaus-Steuerung durch eine zentrale RAM-Regelung optimiert. Im Fall der Stadtgärtnerei Waldshut-Tiengen sind auch die produzierten Mengen zu klein, um beispielsweise eine Topfmaschine effektiv einzusetzen. Unsere Stärke liegt in der Vielfalt der produzierten Arten und Sorten. Wir haben hier einen sehr engagierten, botanisch und in der Kulturführung versierten jungen Gärtnermeister, durch den unsere derzeit drei Auszubildenden im Zierpflanzenbau umfangreiche Pflanzenkenntnisse und Kulturverfahren lernen können.

Nachhaltigkeit ist zweifellos ein wichtiges Thema, zu dem wir uns Gedanken machen und das wir auch bei der Bewirtschaftung der Grünflächen berücksichtigen. Es wurden in der Vergangenheit einige Rasenflächen aus der intensiven Bewirtschaftung herausgenommen. Die Flächen werden nun nur noch zwei- bis dreimal gemäht. Zahlreiche Flächen wurden umgebrochen und mit Blumenwiesen-Saatgut neu eingesät. Wir produzieren derzeit noch etwa 18.000 Wechselflor-Pflanzen. Das Sortiment haben wir jedoch im Hinblick auf die Nutzbarkeit für Insekten und Ansprüche an die Wasserversorgung deutlich verändert: Wir haben nahezu keine Arten und Sorten mehr mit gefüllten Blüten, der Schwerpunkt liegt auf Lippenblütlern wie unter anderem diversen Salvia Arten.

Kleingeräte mit Verbrennungsmotor werden – sobald Ersatz erforderlich ist – in den meisten Fällen durch akkubetriebene Geräte ersetzt. Das betrifft Heckenscheren, Freischneider, Laubgebläse, Motorsägen und zum Teil Kleinrasenmäher. Beim Fuhrpark haben wir noch kein E-Fahrzeug im Einsatz. Bei zukünftigen Beschaffungen wird dies sicherlich ein Thema sein, zumindest im Bereich der Klein-Lkw bis 3,5 Tonnen.“

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