Städte lassen auf bestimmten Flächen Wildnis gezielt zu
Wie der Bund deutscher Baumschulen (BdB) im Rahmen der Kampagne „Mehr grüne Städte für Europa“ berichtet, war das gemeinsame Ziel der drei an dem Projekt teilnehmenden Städte, ein neues Bild von Stadtnatur zu entwickeln – „wilder, aber nicht weniger schön“ lautete dabei die Devise. Dafür wurde auf speziellen Flächen Wildnis gezielt zugelassen oder gefördert. In der Main-Metropole Frankfurt etwa wurden zwei je 15 Hektar große Areale an der Peripherie gewählt, darunter eine ehemalige Mülldeponie, während sich in Hannover ein Dutzend Flächen quer durch die Stadt bis an die Außengebiete verteilen – von der Kleingarte-Kolonie über Grünzüge zu citynahen Naturwaldparzellen bis hin zu post-industrieller Wildnis mit alten Gleisanlagen. Und in Dessau-Roßlau wurde laut BdB auf 30 Hektar Grünfläche rund um die Innenstadt nur noch ein- bis zweimal im Jahr gemäht und näher am Stadtrand fast gar nicht mehr in die Natur eingegriffen.
Bürger von Beginn an in Projekt eingebunden
„Weniger Mähen heißt nicht weniger Arbeit“, sagt dazu Projekt-Mitarbeiterin Solveig Hesse. Es müsse nur anders geplant werden, und Mähfahrer wurden besonders geschult. Auch die Bürger der drei Städte mussten laut BdB von Beginn an in das Projekt eingebunden werden, um Akzeptanz für die plötzlich ungemähten Wiesen mit meterhohen Gräsern zu schaffen. In Dessau-Roßlau geschah dies demnach durch gezielte Veranstaltungen, in Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover wurden Stelen aufgestellt, an denen sich interessierte Passanten über das Projekt informieren können. Zudem führte die Universität Hannover eine Befragung durch, laut der die Resonanz der Anwohner auf die „wilde Natur“ überwiegend positiv war, wie Projekt-Mitarbeiterin Hesse erklärt.
Etliche Flächen sollen auch nach Auslaufen von „Städte wagen Wildnis“ in diesem Jahr zugänglich bleiben und weiter wie im Projekt erprobt gepflegt werden. In Hannover beispielsweise wurden laut BdB sogar „Wildnis-Lotsen“ geschult, die zukünftig eigenverantwortlich kreative Ideen umsetzen können, wie mehr Wildnis in der Stadt gefördert und von den Menschen geschätzt werden kann. Deshalb wäre es laut Christoph Zoch, Projekt-Mitarbeiter und Landschaftsplaner mit Schwerpunkt Freiland-Ökologie, wünschenswert, wenn es auch über das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums geförderte Projekt hinaus weitere Erfolgskontrollen zur veränderten Artenvielfalt in den einzelnen Habitaten gebe.
Je vielfältiger die Pflege, desto vielfältiger die Lebensräume und Arten
Auch aktuell liegen noch keine konkreten Ergebnisse vor, inwieweit durch die nur noch extensive Pflege der Projekt-Grünflächen die Artenvielfalt erhalten und gefördert wurde – „da haben zu viele verschiedene Faktoren Einfluss auf die Zusammensetzung der Arten genommen, hinzu kamen die zwei Extrem-Sommer“, wie Zoch erklärt. Dem Landschaftsplaner zufolge brauche es einen Mix: „Extensive Grünlandpflege ist wichtig für Tagfalter oder Wildbienen, temporäres Brach-fallen-lassen wird ein Habitat zur Überwinterung von Insektenlarven, eine wilde Weide bietet Nistplätze und fördert offene Lebensräume.“ Zoch zufolge gelte generell die Formel: Je vielfältiger die Pflege, desto vielfältiger die Lebensräume, desto vielfältiger die Arten.