Pestizidverbot: So viele Flächen wären im Gartenbau betroffen

Veröffentlichungsdatum: , Lisa Eichler, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)

Ein Pestizidverbot in Deutschland beträfe nicht nur Acker-, Obst- und Weinbauflächen, sondern auch die gartenbauliche Produktion. Symbolbild: ekrem/Pixabay

Mit der Sustainable Use Regulation (SUR) will die EU-Kommission den Pflanzenschutzmitteleinsatz neu regeln. Lisa Eichler vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) hat für die TASPO berechnet, in welcher Größenordnung der Gartenbau konkret von einem Pestizidverbot in sogenannten sensiblen Gebieten betroffen wäre.

SUR sieht Pestizidverbot in sensiblen Gebieten vor

Im Juni 2022 hat die Europäische Kommission mit der „Sustainable Use Regulation“ (SUR) den Entwurf einer Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln veröffentlicht. Die geplante Verordnung soll dazu beitragen, die Ziele der „Farm-to-Fork“-Strategie der EU-Kommission zu erreichen: Das europäische Ernährungssystem soll fair, gesund und umweltfreundlich gestaltet werden. Dazu gehört auch, weniger Pflanzenschutzmittel auszubringen. Die geplante Verordnung zielt daher zum einen darauf ab, den Einsatz von Pestiziden bis 2030 zu halbieren. Außerdem ist ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten sensiblen Gebieten vorgesehen. Es soll helfen, das Risiko von Umweltschäden in empfindlichen Ökosystemen zu vermindern und die biologische Vielfalt zu erhalten.

Zu den sensiblen Gebieten gehören neben städtischen auch ökologisch empfindliche Gebiete. Hierzu zählen folgende Schutzgebiete: jedes Schutzgebiet nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL; Richtlinie 2000/60/EG), die dem europäischen Verzeichnis der national ausgewiesenen Schutzgebiete (CDDA) gemeldeten Schutzgebiete (Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Nationalparks und Nationale Naturmonumente), die im Rahmen von Natura 2000 ausgewiesenen Gebiete (Richtlinie 92/43/EWG), zudem Gebiete zum besonderen Schutz von stark gefährdeten Bestäuberarten, deren Gebietskulisse jedoch noch unklar ist. Das Verbot von Pflanzenschutzmitteln in diesen Schutzgebieten bezieht sich auch auf Agrarflächen, die in diesen Arealen liegen.

Neben den bereits veröffentlichten Zahlen zur Größenordnung von Ackerflächen und Obst- und Weinbauflächen sind für den Gartenbau auch konkrete Zahlen zur Betroffenheit von Gartenbau-Erzeugnissen sowie Obstbau, Baumschulen und Weihnachtsbaumplantagen von Interesse. Nachfolgend wird daher untersucht, in welcher Größenordnung Baumschulflächen und Weihnachtsbaumplantagen in den einzelnen Bundesländern in die Flächenkulisse des jetzigen Entwurfs der SUR fallen. Am Beispiel von Brandenburg soll zudem aufgezeigt werden, wie der Anbau von Spargel, Erdbeeren, Gemüse, Küchenkräutern, Zierpflanzen, Rollrasen, Obst sowie Baumschulen und Weihnachtsbaumplantagen flächenmäßig betroffen wären.

Methodik

Für die Bestimmung der von der SUR betroffenen Flächenkulisse für die verschiedenen Anbaukategorien wurden die einzelnen Schutzgebietskategorien extrahiert, codiert und dann miteinander sowie mit den Anbauflächen verschnitten. Für jede mögliche Kombination von Schutzgebieten und Anbauflächen der einzelnen Kategorien wurde ein Code vergeben sowie dessen Fläche (in Quadratkilometern) berechnet. Schutzgebietskategorien können sich überlagern. Eine Anbaufläche kann zum Beispiel sowohl in einem Landschafts- als auch in einem Vogelschutzgebiet liegen. Daher wurde bei der Berechnung für jede Anbaufläche bestimmt, in welchen und in wie vielen Schutzgebieten diese liegt.

Ergebnisse: Baumschulen und Weihnachtsbaumplantagen deutschlandweit

Werden für die Berechnung alle Flächen berücksichtigt, welche die geplante Verordnung aktuell als ökologisch sensible Gebiete definiert, dann würde das Pestizidverbot in Deutschland für insgesamt 176 Quadratkilometer Baumschulfläche gelten, was 45 Prozent der Gesamtbaumschulfläche von Deutschland entspricht. Mit knapp 100 Quadratkilometer Baumschulfläche innerhalb der SUR ist insbesondere Nordrhein-Westfahlen davon am stärksten betroffen. Der größere Teil dieser Flächen liegt in Landschaftsschutzgebieten (LSG), dies trifft insbesondere auf 70 Prozent der Baumschulflächen in Nordrhein-Westfalen und auf 31 Prozent der Flächen in Schleswig-Holstein zu. Insgesamt befinden sich 35 Prozent der deutschen Baumschulflächen innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes.

Nimmt man die LSG aus der SUR-Flächenkulisse heraus, so befänden sich mit insgesamt 66 Quadratkilometern nur noch 17 Prozent der Baumschulflächen Deutschlands innerhalb des Pestizidverbots. In Nordrhein-Westfahlen würden somit nicht mehr 78 Prozent, sondern nur noch 18 Prozent der Baumschulflächen in die Pestizidverbotskulisse fallen. Weitere relevante Anteile der Baumschulflächen liegen zum Teil auch in Trinkwasserschutzgebieten: Im Bundesdurchschnitt gilt dies für 14 Prozent der Baumschulflächen. Bei den Bundesländern trifft dies vor allem auf Baumschulflächen in Schleswig-Holstein (18 Prozent), Nordrhein-Westfahlen (15 Prozent) und Baden-Württemberg (33 Prozent) zu.

Mit rund fünf Quadratkilometern machen nach dem LBM-DE Weihnachtsbaumplantagen nur einen sehr geringen Teil der Landnutzug von Deutschland aus. Davon würden 47 Prozent in den aktuell als ökologisch sensibel eingestuften Gebieten liegen. Der größte Teil der Weihnachtsbaumplantagen liegt in Niedersachsen, hier befänden sich 26 Prozent innerhalb der SUR-Flächenkulisse.

Ergebnisse der Beispielstudie Brandenburg

Spargel: Insgesamt befinden sich 45 Quadratkilometer beihilfefähige Spargelanbaufläche in Brandenburg, wovon mit 24 Quadratkilometern rund 52 Prozent innerhalb der SUR-Flächenkulisse liegen. Mit einem Anteil von 40 Prozent der gesamten Spargelanbaufläche Brandenburgs befinden sich die meisten dieser Flächen in Landschaftsschutzgebieten, ein weiterer relevanter Anteil mit 16 Prozent in Vogelschutzgebieten (SPA).

Erdbeeren: Mit knapp drei Quadratkilometern fällt die Anbaufläche von Erdbeeren in Brandenburg vergleichsweise gering aus. Rund 32 Prozent dieser Anbauflächen liegen innerhalb der SUR-Flächenkulisse, wobei sich diese Flächen fast ausschließlich in Landschaftsschutzgebieten befinden.

Gemüse: In Brandenburg wird auf rund 75 Quadratkilometern beihilfefähig Gemüse angebaut. Rund 30 Prozent dieser Anbauflächen befinden sich in der SUR-Flächenkulisse, wobei 24 Prozent der Gemüseanbauflächen Brandenburgs in Landschaftsschutzgebieten und 14 Prozent in Vogelschutzgebieten (SPA) liegen.

Küchenkräuter: Küchenkräuter werden in Brandenburg beihilfefähig auf knapp drei Quadratkilometern angebaut, mit 60 Prozent befindet sich über die Hälfte dieser Anbauflächen innerhalb der SUR-Flächenkulisse, wovon fast alle in Vogelschutzgebieten und Landschaftsschutzgebieten liegen.

Zierpflanzen: Die für die Agrarbeihilfe beantragte Fläche für Zierpflanzen ist in Brandenburg sehr gering und liegt bei unter 0,5 Quadratkilometern.

Rollrasen: Rollrasen wird beihilfefähig in Brandenburg auf 1,4 Quadratkilometern Fläche angebaut, die sich mit über 64 Prozent innerhalb der SUR-Flächenkulisse befindet.

Obstbau: Beihilfefähig sind in Brandenburg 22 Quadratkilometer Obstbauflächen, welche zu knapp 30 Prozent innerhalb der SUR-Flächenkulisse liegen und sich überwiegend in Landschaftsschutzgebieten befinden.

Baumschulen: In Brandenburg sind neun Quadratkilometer Baumschulfläche beihilfefähig, welche sich zu 35 Prozent innerhalb der SUR-Flächenkulisse befindet, wobei davon die in den Landschaftsschutzgebieten und Vogelschutzgebieten (SPA) befindlichen Flächen den größten Anteil ausmachen.

Weihnachtsbäume: Für vier Quadratkilometer Weihnachtsbaumplantagen sind im Jahr 2022 Agrarförderungen beantragt worden. Nur rund elf Prozent dieser Flächen befinden sich in der SUR-Flächenkulisse.

Datenbasis für die verwendete Schutzgebietskulisse

Die verwendete Schutzgebietskulisse setzt sich aus mehreren Datensätzen zusammen: Aus der Common Database on Designated Areas (CDDA), bereitgestellt von der European Environment Acency (EEA), wurden die von Deutschland im Rahmen des „Eionet Core Dataflows“ übermittelten Schutzgebiete der Schutzgebietskategorien Naturschutzgebiet (NSG), Landschaftsschutzgebiet (LSG), Nationalparke und Nationale Naturmonumente entnommen. Die Daten entsprechen dem bis Mai 2022 an die EEA gemeldeten Stand.

Die FFH-Gebiete (Special Areas of Conservation SACs) und Vogelschutzgebiete (Special Protections Areas SPAs) sowie die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Sites of Community Importance SCIs), welche zusammen das Natura2000-Netzwerk bilden, wurden ebenfalls als Datensatz von der EEA importiert. Dieser Datensatz entspricht dem aktuell verfügbaren Berichtsstand 2021.

Ebenfalls von der EEA wird auch ein Datensatz zu den durch die Wasserrahmenrichtline (WRRL) geschützten Gebieten bereitgestellt. Dazu zählen Trinkwasserschutzgebiete, Gebiete zum Schutz wirtschaftlich bedeutender aquatischer Arten, Badegewässer, nährstoffempfindliche Gebiete sowie Gebiete zum Schutz von Lebensräumen und Arten, welche vom Zustand der Gewässer abhängig sind. In der öffentlich zugänglichen Version dieses Datensatzes sind für Deutschland lediglich Schutzgebiete für Schalentiere vermerkt. Aktueller Berichtsstand ist hier Juli 2021.

Um die Trinkwasserschutzgebiete genügend zu berücksichtigen, werden behelfsweise die national nach Wasserhaushaltsgesetz unter Schutz gestellten Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebiete in die Gebietskulisse der SUR integriert. Hierfür wurde der vom Bundesamt für Gewässerkunde bereitgestellte Datensatz „Wasserschutzgebiete-DE“ sowie ergänzend entsprechende Datensätze von den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen genutzt. Die in diesen Datensätzen enthaltenen Wasserschutzgebiete und Heilquellenschutzgebiete sind nach deutscher Rechtsgrundlage § 51 WHG und § 53 WHG geschützt und unterliegen keiner Berichtspflicht an die Europäische Kommission im Rahmen der WRRL. Aktueller Stand der Daten ist hier September 2022.

Gebiete folgender Schutzgebietskategorien fließen demnach unter Berücksichtigung der von der SUR definierten ökologisch sensiblen Gebiete ein: Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Nationale Naturmonumente, Nationalparke, SPA, SAC, SCI, Wasserschutzgebiete für Schalentiere, Nationale Trinkwasserschutzgebiete und Heilquellenschutzgebiete. Aufgrund noch fehlender Angaben zu den Gebietskulissen für die Schutzgebiete für gefährdete Bestäuberarten, konnten diese in der Analyse nicht berücksichtigt werden.

Datengrundlage für die Abgrenzung gartenbaulicher Flächen

Als Datengrundlage für die deutschlandweite Abgrenzung der Baumschulflächen und Weihnachtsbaumplantagen wurde das Digitale Landbedeckungsmodell LBM-DE für den aktuellsten verfügbaren Zeitschnitt 2018 vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) verwendet, womit eine bundesweit einheitliche, flächendeckende Beschreibung der Baumschulflächen und Weihnachtsbaumplantagen gewährleistet ist. Das LBM-DE unterscheidet in Landbedeckung und Landnutzung. Baumschulen können als Kombination der Landbedeckung „Aufforstung“ (B310) und der Landnutzung „Baumschule“ (N211) identifiziert werden, Weihnachtsbaumplantagen als Kombination der Landbedeckung „Nadelbäume“ (B312) und der Landnutzung „Kurzumtriebsplantage, Weihnachtsbaumplantage“ (N211).

Für eine stärkere Ausdifferenzierung der gartenbaulichen Kulturen ist das LBM-DE nicht geeignet, daher wird hier auf eine weitere Datenquelle zurückgegriffen. Hinweise auf die Bewirtschaftung von Ackerflächen bieten Daten des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS), welches als Kontrollinstrument für die Agrarausgaben der EU dient. Parzellenspezifisch liegen hier Angaben zum Beispiel zur Kulturart vor, welche jährlich im Rahmen der Beantragung von EU-Agrarförderungen von den Landbewirtschaftenden gemeldet werden. Lediglich für Brandenburg sind diese Daten als Geodaten frei verfügbar, sodass sich nachfolgende Studie auf dieses Bundesland exemplarisch bezieht.
 

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