Produktion im Dachgewächshaus – mehr als nur Zukunftsmusik?

Veröffentlichungsdatum: , Norbert Elgner

Ein insgesamt ziemlich futuristisch anmutendes Gewächshausprojekt mit Stand im südhessischen Bürstadt macht von sich Reden. Der Clou des Projektes ist, dass sich das Pilotgewächshaus auf dem Flachdach einer ausgedienten Lagerhalle befindet.

Konvex gebogenes Gewächshaus auf alter Lagerhalle

Es handelt sich um ein nach Süden hin konvex gebogenes Gewächshaus, doppelt bespannt mit einer hoch lichtdurchlässigen ETFE-Folie (F-Clean-Folie) und ausgestattet mit 112 flexibel verstellbaren Photovoltaik-Modulen, die zur Stromerzeugung, gleichzeitig aber auch als Schattiereinrichtung dienen. Die Messungen der Energieströme sowie des Energieeinsparungspotenzials übernimmt die Universität Trier.

Die Lagerhalle gehört zum Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei, die von Franz Schreier, dem Ideengeber und Initiator des Pilotgewächshauses in Bürstadt, erworben wurde. Gebaut wurde das Dachgewächshaus von seiner Firma EBF (energie biosphere food). Es ist über das Projekt Groof (Greenshouses to reduce CO2 on Roofs) eingebettet im Interreg-Programm North-West Europe der EU und wird mit Mitteln der EU aus dem Fonds für regionale Entwicklung gefördert.

Vom Bau bis zur Produktion von Gemüse

Schon seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich der heute 60-jährige Diplomphysiker Franz Schreier mit dem Thema Energie, Energieeffizienz und Auswirkungen auf das Klima und sucht nach neuen Wegen. Unter anderem geht es ihm auch um die Frage, welches Gewächshaus oder welcher Gewächshaustyp das Potenzial haben, in kleinen Strukturen auf fossile Energie verzichten zu können. Und das, ohne dass die Lebensmittelproduktion im globalen Norden eingeschränkt werden muss. Schreiers weltweite Kontakte ließen ihn auf chinesische Lean-to-Gewächshäuser stoßen, die teilweise in Erde versenkt sind und mit einem Art Thermorollo aus Hanf vor Kälteeinbrüchen geschützt werden.

Vorteile der F-Clean-Folie genutzt

Das Dachgewächshaus hat eine Grundfläche von 160 Quadratmetern. Es ist nur gegen Süden hin konvex gebogen und mit einer F-Clean Folie, so die Bezeichnung im Gewächshausbau, doppelt eingedeckt. Es handelt sich dabei um eine ETFE-Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen) der japanischen Firma Asahi Glass Chemicals Company (AGC ). Bei doppelter Eindeckung in einem Abstand von 2,5 cm wird ein k-Wert von 3,0 angegeben, gegenüber Glas ein k-Wert von 6,2.

Für die untere Bespannung wurde eine diffuse Folie von 60 µm, für die obere eine klare Folie von 100 µm verwendet. Besonders hervorzuheben ist die hohe Lichtdurchlässigkeit der Folie, die bis 94 Prozent heranreicht, im Vergleich zu einer PE-Folie mit 88 bis 92 Prozent.

Keine herkömmliche Heizung vorgesehen

Die Stirnseiten sowie die als Sheddach konstruierte Nordseite sind mit Hanfkalk in Schleppschalung ausgeführt, innen mit Holzbrettern auf Abstand verkleidet und außen verputzt. Damit wird ebenfalls auf natürliche Weise eine hohe Wärmedämmung im Winter erzielt.

Noch installiert werden muss laut Schreier ein Thermorollo, das außen über der Folienbahn geführt wird, um im Winter das Gewächshaus frostfrei zu halten. Denn eine herkömmliche Heizung, überhaupt eine Heizung ist in dem Projekt nicht vorgesehen. Sie ist laut Schreier auch bei zweistelligen Frostgraden nicht erforderlich.

Eine weitere Besonderheit sind die Photovoltaikmodule, die im Dachraum des Gewächshauses parallel zur Längsrichtung des Hauses angeordnet sind. Sie sind als flache, dünne Tafeln ausgeführt und mit jeweils zehn Wafern, bestehend aus einem Halbleitermaterial, ausgestattet. Insgesamt wurden 112 Photovoltaik-Module entlang der Dachneigung angebracht. Mit dieser 5,5 kWp (Kilowatt-Peak)-Anlage lassen sich laut Schreier maximal 4.500 kWh Strom pro Jahr produzieren, in Summe etwa der Jahresverbrauch einer vierköpfigen Familie.

Die Pflanzen gedeihen vorzüglich

Das Pflanzenwachstum unter der UV-durchlässigen F-Clean-Folie kann sich sehen lassen. Als Testkultur wurden Chilis in 40-Liter-Containern kultiviert. Die benutzten Container werden zwar normalerweise in Hydroponik-Kulturen eingesetzt, können aber auch sehr gut für Erdkulturen verwendet werden. Im vorliegendem Falle wurden sie für die Chilis mit einer Terra-Preta-Erde befüllt.

Prinzipiell können in dem Dachgewächshaus alle Kulturen angebaut werden, ob B&B-Pflanzen, Kräuter, Gemüse oder Schnittblumen – dennoch: Es sollte sich im Sinne der Innovation bevorzugt um Nahrungsmittel handeln.

Einschätzungen zur Praktikabilität in der professionellen Nahrungsmittelproduktion und weitere Aspekte des Dachgewächshauses lesen Sie in Ausgabe 06/2022 der Gärtnerbörse.

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