Regenwassernutzung: Was gilt es zu beachten?

Veröffentlichungsdatum: , Nadine Quist

Ernst Deiss ist Experte in Sachen Regenwassernutzung. Im Laufe seiner 35-jährigen Tätigkeit im Baugewerbe, davon 25 als Inhaber und Leiter einer Tiefbau- und Gartenbaufirma, beschäftigte er sich intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Foto: privat

In unseren Breiten ist es sinnvoll und naheliegend, Regenwasser nicht nur zum Blumengießen zu verwenden. Dabei gilt es aber einiges zu beachten. Neben der Auswahl einer geeigneten Filteranlage sind es auch gesetzliche Vorschriften, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Welche das sind, weiß Ernst Deiss, Spezialist für Regenwasseraufbereitung und Inhaber der Beratungs- und Handelsfirma Regenfänger.ch.

Herr Deiss, können Sie uns verraten, welche Vorteile die Regenwassernutzung bietet?

Ernst Deiss: Selbstverständlich! Regenwasser hat ganz viele Vorteile. Es ist kalkfrei und somit sehr weich. Pflanzen gedeihen damit besser als mit Leitungswasser, das ist wissenschaftlich belegt. Es fällt kostenlos vom Himmel, das ist im Vergleich zum Leitungswasser schon ein wichtiger Vorteil. Wenn man es für die Toilettenspülung nutzt, gibt es im Spülkasten keine Kalkablagerungen und im WC keinen Urinstein. In der Waschmaschine können die Heizstäbe weder verkalken noch vom Magnesiumkalk zerfressen werden und man braucht bei weichem Wasser viel weniger Waschmittel, bis über 50 Prozent weniger.

Wer Regenwasser nutzt, leistet damit einen aktiven Beitrag für eine bessere Welt und verschafft sich gleichzeitig ein Stück mehr Unabhängigkeit. In einem durchschnittlichen Einfamilienhaus kann man etwa 50 Prozent des Wasserbedarfs mit Regenwasser abdecken. In einer Gärtnerei ist die Dachfläche viel größer als bei einem Einfamilienhaus, weshalb dort der Wasserbedarf für die Bewässerung der Pflanzen sogar zu 100 Prozent mit Regenwasser abgedeckt werden kann.

Das klingt spannend! Welche Technik ist nötig, damit man das Regenwasser auch wirklich so nutzen kann?

Deiss: Man braucht eine Filteranlage, die aus einem Regenwassertank, der entsprechenden Filtertechnik und einem Regenwassermanager besteht.

Welche Arten von Regenwassertanks gibt es?

Deiss: Regenwassertanks gibt es aus Kunststoff und es gibt Betonzisternen.

Gibt es unterschiedliche Filteranlagen für unterschiedliche Wasserqualitäten (Nutzwasser/Trinkwasser)?

Deiss: Selbstverständlich! Regenwasser, das zur Pflanzenbewässerung genutzt wird, muss mit einem guten Siebfilter gefiltert werden. Diese Filter kann man je nach Typ entweder in der Zisterne oder außerhalb der Zisterne verbauen. Wenn man das Regenwasser für Waschmaschine und WC nutzen möchte, empfiehlt es sich, feiner zu filtern, um auch mögliche Verschmutzungen aus dem Wasser zu entfernen, die den Geräten und WC-Anlagen Schaden zufügen könnten. Hochfein gefiltertes Regenwasser kann im Anschluss mit einer speziellen Anlage in Trinkwasser verwandelt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es für Privathaushalte, welche für Gärtnereien oder Gartencenter hinsichtlich der Nutzung von Regenwasser?

Deiss: In Privathaushalten kann Regenwasser für die Gartenbewässerung, die Toilette und die Waschmaschine genutzt werden. Wenn man das Regenwasser in Trinkwasser verwandeln möchte, kann man es zum Beispiel mit einem hochfeinen Aquatum Swiss 300 oder 400 vorfiltern. Bei diesem Vorgang werden Ruß- und Partikelstoffe bis zu 1 Mikrometer (µm) herausgefiltert. Im Anschluss muss dieses vorgefilterte Regenwasser einen Membranfilter und eine Remineralisierungsanlage durchlaufen. Erst dann hat es Trinkwassergüte.

Gärtnereien und Gartencenter haben die gleichen Möglichkeiten wie die Privathaushalte, ebenso wie auch öffentliche Gebäude oder Industriegebäude. Sie haben in der Regel allerdings wesentlich größere Dachflächen, was aufgrund der damit verbundenen größeren Regenwassermenge die Möglichkeit bietet, dass sich Gärtnereien und Gartencenter mit dem für die Bewässerung erforderlichen Wasser komplett selbst versorgen.

Wie viel muss in eine solche Anlage investiert werden – in monetärer und in baulicher Hinsicht?

Deiss: Man braucht eine Zisterne, Filtertechnik und einen Regenwassermanager. Die Höhe des Investments ist von der Größe der Anlage abhängig. Ein Gärtnereibetrieb mit etwa 2.000 Quadratmeter Dachfläche muss beispielsweise mit einer Investition von rund 55.000 bis 60.000 Euro rechnen. Die baulichen Möglichkeiten sind individuell verschieden. Wenn die Gärtnerei beispielsweise über nicht mehr genutzte Öltanks von einer alten Ölheizung verfügt, so können die zu Regenwassertanks umgebaut werden. Ansonsten muss man natürlich Platz für die Zisterne oder die Regenwassertanks finden. Meist werden diese vergraben. Das Sammeln des Regenwassers erfolgt über die Dachflächen. Da muss mit Regenrinnen und -rohren das Wasser zum Speicherbehälter geleitet werden.

Welche gesetzlichen Vorschriften müssen in Deutschland erfüllt werden?

Deiss: Im Grunde nur eine: Regenwasser darf nicht mit Trinkwasser vermischt werden. Damit dies absolut ausgeschlossen ist, muss mit zwei getrennten Leitungsnetzen gearbeitet werden.

Welche Voraussetzungen müssen in Bezug auf das Gelände und in technischer Hinsicht gegeben sein?

Deiss: Auf dem Gelände muss Platz für die Zisterne bzw. die Regenwassertanks vorhanden sein. In unserem obigen Beispiel bräuchte die Gärtnerei mit 2.000 Quadratmeter Dachfläche etwa acht Betonzisternen mit einem Durchmesser von je 2,50 Metern. Der Regenwassermanager braucht im Vergleich dazu kaum Platz. Der misst nur 1 x 1 x 1,50 Meter.

Können Sie eine Beispielrechnung für eine Einzelhandelsgärtnerei skizzieren?

Deiss: Lassen Sie uns beim obigen Beispiel bleiben. Die Gärtnerei hat 2.000 Quadratmeter Dachfläche. Bei einer durchschnittlichen, jährlichen Niederschlagsmenge von 1.000 Litern pro Quadratmeter kommen wir auf einen Netto-Ertrag von 1.620.000 Liter im Jahr. Das heißt, diese Gärtnerei kann 1,62 Millionen Liter Wasser mit Regenwasser abdecken. Sie muss diese Menge Wasser nicht kaufen und kann damit zum Selbstversorger werden. Die genaue Kosteneinsparung hängt nun vom Standort der Gärtnerei ab und errechnet sich aus dem kommunalen Trinkwasserpreis (1.620.000 x Wasserpreis/Liter) und eventuell auch den Abwassergebühren. Da die Betreiber einer Regenwasserfilteranlage das Leitungsnetz entlasten, entfällt in vielen Kommunen diese Abwassergebühr nämlich.

Für wen lohnt sich so eine Anlage?

Deiss: Für alle! Egal ob Privathaushalt, öffentliches Gebäude, gewerblich genutzte Gebäude oder Industrie: Alle die Wasser verbrauchen, können mit Regenwasser Trinkwasser einsparen. Man sollte bei dieser Überlegung aber nicht nur die Kosten im Blick haben, sondern auch die mögliche Unabhängigkeit von der öffentlichen Wasserversorgung. Wenn beispielsweise aufgrund von Wasserknappheit nicht mehr bewässert werden darf, vertrocknen die Pflanzen in der Gärtnerei und der Verlust ist vorprogrammiert. Wenn man in einer solchen Situation auf eigene Wasserreserven zurückgreifen kann, hat man einen immensen wirtschaftlichen Vorteil.

Es ist an der Zeit, dass in unserer Gesellschaft ein Umdenken stattfindet: Wasser ist Leben! Das müssen wir endlich erkennen. Um auf diesem Planeten zu leben, brauchen nicht nur wir Menschen, sondern auch viele andere Lebewesen Wasser. Es ist ein höchst wichtiges Gut, wenn nicht das wichtigste Gut überhaupt. Wenn wir Leben auf diesem Planeten auch in Zukunft ermöglichen möchten, müssen wir handeln und zwar jetzt! Die Menschheit kann ohne Erdöl überleben, aber ohne Wasser geht das nicht. Es ist höchste Zeit, dass sich unsere Prioritäten verschieben und wir erkennen, was wir wirklich zum Leben und Überleben brauchen.

Welchen Beitrag könnte die öffentliche Hand leisten?

Deiss: Sie könnte bei Neubauten die Regenwassernutzung für WC, Waschmaschinen und Gartenbewässerung vorschreiben oder fördern. In Neubauten von Schulen oder anderen öffentlichen Gebäuden sollten die WC-Anlagen grundsätzlich mit Regenwasser betrieben werden, leider sind öffentliche Gebäude mit Regenwassernutzung aktuell immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Es wäre auch sinnvoll, wenn Parks nicht mit Trinkwasser bewässert würden.

Mit dem Sammeln von Regenwasser kann man auch einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten. Was passiert, wenn Regenwasser nicht gesammelt wird, haben 2021 die Menschen im Ahrtal und in anderen überfluteten Regionen schmerzlich erfahren müssen. Der Staat, die Länder und Kommunen sollten Anreize für die Regenwassernutzung schaffen. In der Schweiz gibt es eine kleine Gemeinde, die mit gutem Beispiel vorangeht: Jeder, der einen Regenwassertank einbaut, bekommt 100 Schweizer Franken pro 1.000 Liter Tank. Es profitieren beide Seiten: Der Nutzer spart Trinkwasser und die damit verbundenen Kosten, und das Kanalnetz der Gemeinde wird entlastet.

Auch die Förderung von Gründächern in den Städten wäre eine wegweisende Maßnahme: Sie würden temperaturausgleichend wirken und das gesammelte Regenwasser kann nach entsprechender Filterung in den Gebäuden oder zur Bewässerung genutzt werden. Auch hier wird das Leitungsnetz entlastet und gleichzeitig ein aktiver Beitrag für eine bessere, lebenswertere Welt geleistet – nicht nur für die Menschen, die heute in den Städten leben, sondern auch für die Generationen, die nach uns kommen. Wir müssen endlich anfangen, weiter in die Zukunft zu denken und diese Zukunft positiv zu beeinflussen!

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