21 Schutzgebiete in Deutschland untersucht
In den letzten 30 Jahren sind nachweislich über 75 Prozent der Biomasse an Insekten in deutschen Naturschutzgebieten verschwunden. Die Gründe sind teilweise sehr vielfältig, Experten vermuten unter anderem, dass vor allem der Einsatz von Pestiziden zum Rückgang der Artenvielfalt führe. „Unsere Daten zeigen deutlich, dass Insekten in Naturschutzgebieten mit einem Cocktail aus Pestiziden belastet sind“, unterstreicht Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. In 21 deutschen Schutzgebieten untersuchte das Projekt DINA (Diversity of Insects in Nature protected Areas) über zwei Jahre die Insektenvielfalt. Mit Hilfe sogenannter Malaisefallen wurden Insekten in Alkohol konserviert, welcher gleichzeitig als Lösungsmittel für Pestizide wirkt. „Mit unserer Methode können 92 aktuell in Deutschland zugelassene Pestizide gleichzeitig in geringen Mengen analysiert werden“, erklärt Nikita Bakanov aus der Landauer Forschungsgruppe.
Belastung mit bis zu 27 Pestiziden
Von diesen 92 nachweisbaren Pestiziden konnten die Forschenden insgesamt 47 verteilt auf alle Gebiete nachweisen. Im Schnitt konnten 16 verschiedene Pestizide auf Insekten nachgewiesen werden, in einem Schutzgebiet lag der Wert sogar bei 27 verschiedenen nachgewiesenen Stoffen. „Wenn man bedenkt, dass die Risikobewertung im Rahmen der Zulassungsverfahren von Pestiziden davon ausgeht, dass Insekten mit nur einem Pestizid in Kontakt kommen, liegt auf der Hand, wie realitätsfern diese Bewertungspraxis ist“, sagt Brühl.
Schutzzonen von zwei Kilometern nötig
Die Forschenden haben das zum Anlass genommen, um herauszufinden, wo die Insekten die Pestizide tatsächlich aufnehmen. Demnach befinden sich Schutzgebiete meist umrandet von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Forschungen haben gezeigt, dass Insekten Pestizide in einem Umkreis von circa zwei Kilometern aufnehmen. „Politik, Wissenschaft und Landschaftsplanung müssen daher Pufferzonen einplanen und dabei in anderen Skalen denken, 10 bis 20 Meter reichen da nicht aus“, unterstreicht Dr. Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld. Diese müssen ungefähr zwei Kilometer betragen. Als weitere Empfehlung sprechen sich die Forschenden für eine Förderung des Ökolandbaus in diesen Gebieten aus. Berechnungen des Forschungsteams zeigen, dass ein solcher Umbau rund 30 Prozent der Agrarfläche betreffen würde. „Diese Zahl mag auf den ersten Blick groß erscheinen“, so Brühl, aber sie entspräche der Forderung der EU nach 25 Prozent und der neuen Ampelkoalition nach 30 Prozent an Bio-Landwirtschaft bis 2030. „Mit unserer Untersuchung liefern wir Empfehlungen zur Umsetzung dieses Transformationszieles, für das die Politik noch neun Jahre Zeit hat“.