Verbände fordern Neustart beim Insektenschutz

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Die Kritik am Aktionsprogramm Insektenschutz reißt nicht ab. Viele Verbände fordern vor der Verabschiedung durchs Kabinett einen Neustart und setzen auf Kooperation statt Konfrontation. Foto: Schwoaze/ Pixabay

Der gesetzlich geregelte Insektenschutz löste bereits in der Vergangenheit kontroverse Diskussionen aus. Vor dem Hintergrund der Verabschiedung des Insektenschutzgesetzes und der neuen Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung durchs Kabinett haben Verbände jetzt gemeinsam einen Neustart und mehr Kooperation statt Verboten beim Insektenschutz gefordert.

Insektenschutzgesetz auf den Weg gebracht

Auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat das Bundeskabinett am Mittwoch das Insektenschutzgesetz auf den Weg gebracht. Darin vorgesehen seien zahlreiche Novellierungen des Bundesnaturschutzgesetzes, wie ein verschärfter Schutz von Biotopen wie Streuobstwiesen und artenreichem Grünland. „Ohne Insekten kann der Mensch nicht leben. Allein für die Bestäubung von Obst müsste die Menschheit Unsummen aufbringen, wenn es keine Insekten gäbe. Allein das zeigt: Das Insektensterben zu stoppen, ist in unser aller Interesse. Darum sind die Beschlüsse heute eine gute Nachricht für die Insekten und die Zukunft unserer Ökosysteme und Lebensgrundlagen. Ich weiß, dass viele Landwirtinnen und Landwirte meinen Einsatz für den Insektenschutz kritisch sehen. Ich bin der Meinung: Wer heute die Insekten schützt, sorgt dafür, dass Landwirtschaft auch morgen noch möglich ist. Uns ist zudem in intensiven Gesprächen gelungen, kooperative Ansätze zu stärken, die Landwirte für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel belohnen. Und drittens betrifft mein Gesetz erstmals auch Bereiche jenseits der Landwirtschaft wie die Lichtverschmutzung. Denn beim Insektenschutz ist nicht nur die Landwirtschaft in der Verantwortung, der Schutz der Insekten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", erklärt Bundesumweltministerin Schulze.

Glyphosatausstieg steht bevor

Das Kabinett stimmte auch der parallel vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingebrachten Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu. Demnach werde der Einsatz von Glyphosat zunächst stark eingeschränkt und Ende 2023 ganz verboten. In Schutzgebieten soll auch der Einsatz zahlreicher anderer Pflanzenschutzmittel verboten werden. „Der Glyphosatausstieg kommt. Darauf habe ich mit vielen Umweltschützern lange hingearbeitet. Glyphosat tötet alles, was grün ist, und entzieht Insekten damit die Lebensgrundlage. Darum ist dieser Ausstieg ein großer Erfolg. Aber auch andere Pflanzenschutzmittel können Insekten schaden. Darum ist es so wichtig für die Zukunft unserer Ökosysteme, dass künftig weniger Flächen gespritzt werden und mehr Rückzugsräume für Insekten bleiben. Dabei ist uns ein guter Mix gelungen aus Ordnungsrecht, Vertragsnaturschutz und freiwilligen Vereinbarungen wie sie in einigen Bundesländern zwischen Politik, Umweltverbänden und Landwirtschaft erarbeitet wurden", so Schulze weiter. „Insektenschutz und Erntesicherung gehen zusammen. Mir war wichtig, dass unsere Regelungen so ausgestaltet sind, dass unsere heimische Landwirtschaft nicht gefährdet ist“, sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. „Mir ist es wichtig, dass kooperativen Lösungen vor Ort der Vorzug vor Ordnungsrecht gegeben wird. Viele Länder haben hier bereits sehr sinnvolle Regelungen getroffen, die wir durch Bundesrecht nicht in Frage stellen wollen. Wo Ordnungsrecht unumgänglich ist, muss für Land- und Forstwirte eine finanzielle Förderfähigkeit erhalten bleiben“, so Klöckner. Demnach werde es wichtige Ausnahmen zum Beispiel beim Obst- und Gemüseanbau geben. „Die regionale Produktion wollen wir erhalten. Denn andersherum sind gerade solche speziellen Kulturen – wie auch der Steillagenweinbau – wichtiger Lebensraum für Insekten.“

Balance zwischen Artenvielfalt und Bewirtschaftung

Eine Balance zu finden, zwischen dem Erhalt der Artenvielfalt und der Bewirtschaftung von Landflächen, wird somit zu einem immer heißer diskutierten Thema. Vor dem Hintergrund des vom Kabinett verabschiedeten Insektenschutzgesetzes haben sich die Verbände ZVG, DBV, DLG, DRV, Aktionsbündnis Forum Natur, AGDW, DFWR, DBB, UFOP, Familienbetrieb Land und Forst und LSV zusammengesetzt und eine Forderung an die Politik gerichtet. Landwirte und Landnutzer wollen dem Artenschutz demnach einen höheren Stellenwert geben, allerdings müssen ihre Leistungen im Gegenzug auch fair bezahlt werden. Insgesamt betroffen von den neuen Reglementierungen seien 2,5 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche, von denen knapp die Hälfte mit gravierenden Bewirtschaftungsbeschränkungen betroffen wären. Eine Förderung werde ebenfalls unmöglich gemacht und die Kosten werden auf die Landwirte abgewälzt, heißt es in der Meldung der Verbände. Ackerkulturen, Grünland, Dauerkulturen und Forsten können des Weiteren nicht mehr verlässlich gegen Schaderreger geschützt werden und befinden sich als Kulturlandschaft demnach in Gefahr.

Kooperation statt Konfrontation gefordert

Die Verbände-Allianz sehe ein Lösung im Konflikt daher in einer Neuausrichtung des Aktionsprogramms Insektenschutz und fordere in diesem Zusammenhang eine Kooperation anstatt einer Konfrontation zwischen Land und Forstwirtschaft und dem Naturschutz. Der Gesetzentwurf des Aktionsprogramms müsse dementsprechend umgehend zurückgenommen werden, heißt es. Im Zuge dessen wurde ein kooperativer Ansatz für mehr Biodiversität erarbeitet, der folgende Punkte beinhaltet.

  • Vorrang für Kooperation und Freiwilligkeit vor Verboten und Auflagen im Natur- und Artenschutz. Verlässliche Finanzierung der vereinbarten Maßnahmen.
  • Vorrang für kooperative Länderkonsense nach den Vorbildern Niedersachsen, Baden-Württemberg und anderer Länder.
  • Sicherstellung der vollen Förderfähigkeit der Flächen (EU-Agrarförderung, Agrarumwelt­maßnahmen, Ökolandbauprämie, Wasserkooperationen, Vertragsnaturschutz etc.)
  • Vertrauensschutz und Einhaltung der Zusage, dass in FFH- und Vogelschutzgebieten Bestandsschutz für die Bewirtschaftung besteht und zusätzliche Umweltleistungen über Vertragsnaturschutz umgesetzt werden.

BdB lehnt Insektenschutzpaket ebenfalls ab

Weitere Zustimmung findet die Verbände-Allianz im Bund deutscher Baumschulen (BdB) der ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln in FFH- und Vogelschutzgebieten durch das Insektenschutzpaket ablehnt. „Die baumschulerische Produktion ist bereits heute insektenfreundlich und fördert die biologische Vielfalt. Pauschale Verbote von Pflanzenschutzmitteln auf bestimmten Produktionsflächen sind daher nicht zielführend“, so Markus Guhl, Hauptgeschäftsführer des BdB. Die Produktionsflächen der Baumschulen bilden eine wichtige Nahrungsmittelgrundlage für Insekten. Auch Bienen-Nährgehölze, Blühstreifen und grüne Fahrwege gehören laut eigener Aussage zum Standard der baumschulerischen Produktion. „Gleichwohl muss gegen bestimmte Schadorganismen von Zeit zu Zeit gezielter Pflanzenschutz betrieben werden", erklärt Guhl. Hier sei eine gute Fachpraxis die bewährte Basis, die keineswegs die Insektenpopulation beeinträchtige. „Daher ist ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln in FFH-Schutzgebieten und Vogelschutzgebieten nicht zielführend und an der Realität vorbei. Vor diesem Hintergrund lehnt der BdB das Insektenschutzpaket, das im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, in seiner jetzigen Form ab“, formuliert Guhl eine klare Forderung an die Politik.

Stechmann: "Brauchen standortangepasste Regelungen"

Zu den geplanten Novellierungen in der Pflanzenschutz-Anwendungen äußerte sich auch die Fachgrupppe Obstbau im ZVG. „Es ist erfreulich, dass nun Ausnahmeregelungen für Pflanzenschutzmaßnahmen im Gartenbau, im Obst- Gemüsebau und sonstigen Sonderkulturen in Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung gelten sollen. Die Betriebe haben in den vergangenen Jahren ihre Bemühungen für mehr Insektenschutz und Biodiversität deutlich verstärkt. Auch künftig setzen wir auf die Förderung und Akzeptanz von kooperativen Ansätzen zum Schutz der Artenvielfalt in Schutzgebieten. Wir brauchen regionale und standortangepasste Regelungen und Umsetzung von Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt in kooperativer Weise. Die Erweiterung der Anwendungsverbote auf alle Herbizide und Insektizide in Schutzgebieten lehnen wir dagegen weiter ab“, erklärt Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau im ZVG und Vorsitzender des Bundesausschusses Obst und Gemüse (BOG).

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