Vom „Lerschling“ zum World Cup Teilnehmer

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Tritt beim World Cup der Floristen für die Türkei an: Mehmet Yilmaz. Foto: Fleurop

Es gibt Mehmet Yilmaz, den Schauspieler, bekannt aus der „Sesamstraße“ und „GZSZ“. Es gibt Mehmet Yilmaz, den Profifußballer und türkischen Nationalspieler. Es gibt auch Mehmet Yilmaz, den türkischen Gewichtheber, sowie Mehmet Yilmaz, den Funktionär beim Verband der Islamischen Kulturzentren in Deutschland. Und es gibt Mehmet Yilmaz, den Floristen – und türkischen Teilnehmer der diesjährigen Weltmeisterschaft, dem Fleurop-Interflora World Cup 2015 in Berlin.

Nicht Peter Müller, sondern Mehmet Yilmaz

„Das ist halt ein Allerweltsname, wie in Deutschland Peter Müller“, sagt Mehmet Yilmaz, der Florist. Ein Allerweltsname und – in den Anfängen – eine Lebensgeschichte, wie sie sich ganz ähnlich zehntausendfach zugetragen hat. Geboren wurde Mehmet Yilmaz 1977 im türkischen Nizip, nahe der Grenze zu Syrien.

Als Zwölfjähriger holte sein Vater, Gastarbeiter in Bad Neuenahr, ihn und die Familie nach Deutschland. Es begann ein neues Leben: Sprache, Mentalitäten, Lebensgewohnheiten, die Kinder in der Nachbarschaft – alles fremd. Und es wäre wahrscheinlich ein ganz normaler türkisch-deutscher Lebenslauf geworden, wenn nicht der Nachbar in den Urlaub gefahren wäre. War das ein Zufall – oder kann man von Fügung, gar Schicksal sprechen?

Vom „Lerschling“ zum World Cup Teilnehmer

Der Nachbar goss die Pflanzen im Glashaus des Floristen Gregor Lersch, zu dessen Lebenswerk man an dieser Stelle sicher nichts sagen muss. Mehmet Yilmaz sollte die Urlaubsvertretung übernehmen. „Ich habe bei Lersch als erstes Unkraut gejätet“, erinnert er sich mit Freude und auch Stolz in der Stimme. „Als der Nachbar zurück kam, beschloss die Familie Lersch, dass wir uns den Job teilen sollten“, schließt er an. So begann alles. Man nennt das „von der Pike auf lernen“ – was nur funktioniert, wenn sich dabei wirkliche Liebe zum Beruf entwickelt. Dann war plötzlich die Schulzeit zu Ende und die Berufswahl stand an.

Automechaniker oder Florist?

Der Vater beschloss: Der Mehmet wird Automechaniker. Automechaniker! „Zwei Wochen vor der Ausbildung habe ich durchgesetzt, Florist bei Lersch zu werden“, erzählt Mehmet Yilmaz. „Mein Vater hat mindestens ein halbes Jahr nicht mehr mit mir gesprochen. Es ist doch auch ein geläufiges Vorurteil, Floristik wäre was für Frauen.“

Nach der Ausbildung haben Gabriele und Gregor Lersch ihn im übertragenen Sinne vom Hof gejagt. „Sie wollten, dass ich Erfahrung sammele, die Welt sehe, auf Wanderschaft gehe“, erklärt Mehmet Yilmaz. Berufliche Stationen in Frankreich und in unterschiedlichen Kölner Geschäften folgten, Mehmet Yilmaz sieht sich heute „als Kölner Jung“.

Seminare für die Interflora in der Türkei, Coaching des türkischen Teilnehmers der Floristen-WM, dann selbst 2003 auf dem Europa-Cup der Floristen in Salamanca – die Wanderschaft hatte viele Stationen. Wobei die Seminare und die Entwicklung der Floristik in der Türkei Mehmet Yilmaz ein wirkliches Anliegen sind. Er sieht und nutzt seine Rolle als „in-between“ zwischen Abend- und Morgenland.

Rückkehr in die Heimat

2010 war für Mehmet Yilmaz das Jahr der Heimkehr. Nicht nach Nizip, sondern nach Bad Neuenahr – zu Lersch. Im September 2011 folgte dann die Geschäftsübergabe, Mehmet Yilmaz wurde Inhaber von Floraldesign Lersch, einer der ersten Adressen in Europa. Wurde da ein Märchen Wirklichkeit? „Nein, kein Märchen, denn da stehen ja immer auch Unwahrheiten.

Für mich wurde ein Traum wahr“, beteuert er. Wobei auch nach fast vier Jahren noch eine Mischung aus Dankbarkeit und Ungläubigkeit in der Stimme mitschwingt, wenn es um die mehr als fairen Bedingungen der Geschäftsübergabe geht. Er ist nun Chef von einem runden Dutzend Mitarbeitern, seine Ausbilderin und frühere Chefin Gabriele Lersch arbeitet weiter mit und kümmert sich vornehmlich um die unternehmerische Führung.

Für die Türkei zum World Cup der Floristen

Und jetzt tritt Yilmaz für die Türkei auf der Floristen-WM vom 11. bis zum 13. Juni in Berlin an. Kann man so etwas überhaupt leisten, wenn man ein großes Geschäft am Laufen halten muss? „Ach, das ist für uns keine ungewohnte Aufgabe“, meint Mehmet Yilmaz mit der Unbekümmertheit eines Kölner Jung. „Wir haben so viele Hände – gute junge Kollegen“, führt er weiter aus und erklärt, dass alle Bewohner der Lersch-Welt Floristik leben, dies nicht als Arbeit, sondern vielmehr als Lebenserfüllung empfinden. Für diese Gemeinschaft, die ihm helfen wird, nutzt Mehmet Yilmaz eine schöne, treffende Wortschöpfung. Er nennt sie „Lerschlinge“.

Fragen muss man natürlich auch: Warum haben bisher kaum Türkinnen oder Türken den Weg in die Floristik gesucht? „Blumen spielen in der türkischen Kultur kaum eine Rolle. Man nimmt keine Blumen zu Hausbesuchen mit, sie sind kein gängiger Wohnungsschmuck, sie gehören nicht zur Beerdigung, nur zur Hochzeit“, erklärt der WM-Teilnehmer. Wobei natürlich auch er weiß, dass das nicht immer so war, dass „im osmanischen Reich Blumen und Blumenmotive als Ornament eine wichtige Rolle spielten“. Doch das ist Vergangenheit. Floristisch gesehen ist die Türkei bis heute ein Entwicklungsland.
So gesehen wäre Mehmet Yilmaz durch seine Seminare in der Türkei und ebenfalls durch seine WM-Teilnahme ein Entwicklungshelfer. Ein Entwicklungshelfer mit einem exquisiten Geschmack.


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