Wirkstoff der Korallenbeere im Kampf gegen Augenkrebs

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Prof. Evi Kostenis, Prof. Dr. Gabriele M. König und Suvi Annala (v.l.n.r.) erforschen das Toxin der Korallenbeere als möglichen Wirkstoff gegen die Krebszellen des Aderhaut-Melanoms. Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Forscher der Universitäten Bonn und Magdeburg haben einen potentiellen Pflanzenwirkstoff entdeckt, der sich bei der Behandlung von Augenkrebs als hilfreich herausstellen könnte. Aus den Blättern der Korallenbeere haben sie ein Toxin gewonnen, das eine Vermehrung von Krebszellen des aggressiven Aderhaut-Melanoms verhindern könnte.

Natürliches Toxin aus der Korallenbeere

Das ursprünglich aus Korea stammende Gewächs zeigt sich Untersuchungen zufolge gegen Insektenfraß äußerst resistent, da es in seinen Blättern Bakterien beherbergt, die ein natürliches Insektizid produzieren mit dem kryptischen Namen FR900359 (FR). Heute ist die Korallenbeere mit ihren roten Früchten als Zierpflanze in den Wintermonaten ein beliebtes Produkt in Gartencentern.

Eingesetzt werden könnte das Gift zukünftig als ein mögliches Medikament gegen die häufigste und aggressivste Variante des Augenkrebses: das Aderhaut-Melanom. Das Toxin steht bereits seit einiger Zeit im Fokus der Pharmaforschung. „Die Substanz hemmt in den Zellen eine wichtige Gruppe von Molekülen, die Gq-Proteine“, erklärt Prof. Dr. Evi Kostenis vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn. Veröffentlicht werden die in Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen ermittelten Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift „Science Signaling“.

In der Zelle übernehmen die Gq-Proteine ähnliche Funktionen wie die einer städtischen Notruf-Zentrale. Bei Eingang eines Anrufs in der Leitstelle informiert sie je nach Bedarf Polizei, Rettungswagen und Feuerwehr. Die Proteine lassen sich durch bestimmte Steuersignale aktivieren und schalten in ihrer aktivierten Form verschiedene Stoffwechselwege an oder aus. Um das Verhalten der Zelle nicht dauerhaft zu verändern, deaktivieren sich die Gq-Proteine nach kurzer Zeit von selbst.

Unterdrückung der Vermehrung von Krebszellen

Eine Mutation im Rahmen des Aderhaut-Melanoms verhindert jedoch, dass zwei wichtige Gq-Proteine wieder in ihren inaktiven Zustand übergehen und sie somit dauerhaft aktiv sind. Die daraus resultierende Fehlsteuerung verursacht eine unkontrollierte Zellteilung. „Das ist etwa so, als würde die Leitstelle ständig Einsatzfahrzeuge zum Brandherd schicken, obwohl das Feuer bereits seit Tagen gelöscht ist“, so die Universität Bonn.

Die erst kürzlich aus Bonn an die Universität Magdeburg gewechselte Privatdozentin Gaffal erforscht unter anderem Strategien zur Bekämpfung von Hautkrebs. „Wir haben in unseren Experimenten auch FR eingesetzt und waren überrascht, dass es die Vermehrung der Krebszellen unterdrückt“, so Gaffal. Laut den Wissenschaftlern gehen die mutierten Gq-Proteine hin und wieder in ihre inaktive Form über und FR900359 greift zu diesem Zeitpunkt auf das Molekül zu. Die Gq-Proteine werden damit dauerhaft entfernt.

Medizinische Wirksamkeit des Toxins auf dem Prüfstand

Die Wirksamkeit des FR-Toxins wurde zuvor in Zellkulturen und in Versuchen mit krebskranken Mäusen bewiesen. Für einen Einsatz des Wirkstoffs am Menschen ist noch weitere Forschung notwendig, da die Substanz zielgenau in die Tumorzellen muss, ohne anderes Gewebe zu beschädigen. „Gq-Proteine übernehmen praktisch überall im Körper lebenswichtige Funktionen“, erklärt Kostenis. „Wenn wir wollen, dass FR nur die Tumorzellen tötet, müssen wir den Wirkstoff genau dort hinbringen. Das ist aber eine Herausforderung, mit der viele andere Chemotherapien auch zu kämpfen haben.“

Eine Isolierung des FR-Toxins erfolgte bereits vor 30 Jahren durch japanische Forscher. Seine biologische Wirkungsweise wurde erst 25 Jahre später an der Universität Bonn von Arbeitsgruppen um die Professorinnen Gabriele M. König und Evi Kostenis am Institut für Pharmazeutische Biologie beschrieben. Heute bildet es die Basis für eine Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Gruppe der G-Proteine und zur Untersuchung ihrer pharmakologischen Beeinflussbarkeit.

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